Breivik forderte vom Gericht, für zurechnungsfähig erklärt zu werden. Er will als politischer Aktivist in die Geschichte eingehen. Urteil am 24. August.

Oslo. Zum Abschluss einer zehnwöchigen Verhandlung hat sich der Massenmörder Anders Behring Breivik noch einmal selbst inszeniert und Einblick in seine menschenverachtenden Überzeugungen gegeben. Seine wirre Schlussbemerkung vor dem Osloer Bezirksgericht am Freitag rief stellenweise sogar Gelächter hervor. Schlagartig ernst wurde es im Gerichtssaal jedoch wieder, als der 33-Jährige sein Motiv für die Bluttat mit 77 Toten wiederholte. Er habe Norwegen vor der „multikulturellen Hölle“ bewahren wollen und verlange seinen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft hatte sich am Donnerstag dafür ausgesprochen, Breivik in die geschlossene Psychiatrie einzuweisen, da es Zweifel an dessen Schuldfähigkeit gebe.

Breivik forderte vom Gericht, für zurechnungsfähig erklärt zu werden. Er will nicht als blutrünstiger Geisteskranker, sondern politischer Aktivist in die Geschichte eingehen. Darauf war auch seine Verteidigung aufgebaut. Seine wirre Schlussbemerkung dürfte diese Strategie nicht unterstützt haben. Als ihm das letzte Wort zum Abschluss der Verhandlung gegeben wurde, faselte Breivik über den Eurovision Song Contest, bei dem sein Land von Sängern vertreten worden sei, deren ethnischer Hintergrund nicht norwegisch sei, und ließ sich über den sexuell freizügigen Lebensstil der Darsteller in der US-Fernsehserie „Sex and the City“ aus. Die Sprengsätze, die diese Woche vor einem schwedischen Atomkraftwerk entdeckt wurden , seien von seinen rechtsextremistischen Kumpanen platziert worden. Der schwedische Polizeisprecher Tommy Nyman wollte das nicht kommentieren, „besonders nicht, wenn er das sagt“.

+++ Breivik ist "zynischer Terrorist" und zurechnungsfähig +++

Breivik erklärte: „Die Geschichte zeigt, dass man eine kleine Barbarei begehen muss, um eine große Barbarei zu verhindern.“ Die Taten am 22. Juli 2011 habe er als vorbeugende Maßnahme verübt, um die einheimische Bevölkerung Norwegens vor der zunehmenden Islamisierung zu schützen. Sein Anwalt Geir Lippestad stellte seinen Mandanten als Terroristen dar. „Der 22. Juli war ein Inferno der Gewalt“, sagte er. „Er hat erkannt, dass es falsch ist zu töten, aber er entschied sich zu töten. Das ist es, was Terroristen tun. Der Zweck heiligt die Mittel.“ Diesen Gedankengang müsse man begreifen, um die Kultur von Rechtsextremisten zu verstehen, fuhr er fort. Wenn Breivik über einen Bürgerkrieg spreche, fantasiere er nicht über Panzer und Soldaten im Wald, sondern über einen Kampf unterhalb der Schwelle zum Krieg, der dessen Meinung nach 60 Jahre andauern werde.

„Niemand von uns weiß, wie Europa in 60 Jahren aussehen wird“, sagte Lippestad. „Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass eine rechtsextremistische Partei in Griechenland jetzt zehn Prozent bei der Wahl erhalten würde.“ Zum Abschluss seines Plädoyers forderte er die geringstmögliche Haftstrafe für Breivik, wurde von diesem aber korrigiert. Lippestad erklärte daraufhin, die Verteidigung fordere einen Freispruch oder ein mildes Urteil, wolle aber vor allem, dass das Gericht ihren Mandanten für zurechnungsfähig erkläre.

Am letzten Verhandlungstag kamen auch die Angehörigen der Opfer des Doppelanschlags zu Wort. Eine Mutter sprach im Gerichtssaal über den Schock, den sie bei der Nachricht vom Tod ihrer Tochter erlitten habe. Sie berichtete von ihrer Trauer, als sie das Zimmer ihrer Tochter aufräumte und die ersten Weihnachten ohne ihr Kind begehen musste. Für sie sei es jedoch wichtig gewesen, Breivik in einer Situation zu erleben, in der er niemanden mehr verletzen könne. „Ich habe keine Angst vor diesem Mann“, sagte sie. „Ich habe mich entschieden, ins Gericht zu kommen.“ Sie hätte das Gefühl, das ihrer Tochter schuldig zu sein.

+++ Verteidiger hält Anders Breivik für zurechnungsfähig +++

Breivik hatte bereits zum Prozessauftakt gestanden, am 22. Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utöya 77 Menschen getötet zu haben, hält sich aber nicht im juristischen Sinne für schuldig. An jenem Freitag zündete er zunächst eine Bombe im Regierungsviertel von Oslo, bei deren Explosion acht Menschen ums Leben kamen. Dann setzte Breivik auf die Insel Utöya über und richtete unter den Teilnehmern eines Jugendlagers der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei ein Massaker mit 69 Toten an, bevor er sich den Einsatzkräften ergab.

Die Frage der Zurechnungsfähigkeit Breiviks bestimmte den Prozess. In einem ersten Gutachten war ihm paranoide Schizophrenie bescheinigt und er für unzurechnungsfähig erklärt worden. In einem zweiten Gutachten kamen die Experten jedoch zu dem Schluss, dass Breivik zum Zeitpunkt der Bluttat nicht psychotisch, sondern voll zurechnungsfähig gewesen sei. Das Urteil wird für den 24. August erwartet.