Um die 1,8 Tonnen schwere britische Fliegerbombe im Rhein bei Koblenz wegzuschaffen, wurden sogar spezielle Greifvorrichtungen gebaut.

Koblenz. Auf der drei Meter langen Bombe im Rhein klebt eine gelbe Markierung. Dadurch ist der 1,8 Tonnen schwere Blindgänger von der Uferpromenade aus gut im Wasser zu erkennen. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Kinder bestaunen das große Schiff mit dem Kran, der derzeit 350 riesige Sandsäcke ablädt, um die Luftmine in Koblenz trocken zu legen. Ältere Herren tauschen an der Absperrung Erinnerungen an den Krieg aus. Und Horst Lenz ist im Dauerstress.

Ständig klingelt beim technischen Leiter des Kampfmittelräumdienstes Rheinland-Pfalz das Handy. „Solange wir Niedrigwasser haben, gibt es gut zu tun“, sagt er gelassen. Die Bevölkerung sei sensibilisiert, und einige würden sogar gezielt auf Blindgängersuche gehen. Mal sind es Luftminen, dann wieder Tarnnebelfässer. „Manchmal sind es auch nur Waffeleisen oder Schirmständer, die da im Rhein liegen“, berichtet Lenz. Doch er fahre lieber tausend Mal umsonst zu vermeintlichen Fundorten, als dass er einmal zu spät komme. Lenz rechnet fest damit, dass in den kommenden Tagen noch einiges im Wasser entdeckt wird.

Gezielt gesucht werde nicht nach Bomben im Wasser, erklärt Dietmar Schmid, Leiter der Räumgruppe Koblenz. Zum einen liege im Rhein der Eisenschrott dicht an dicht. „Da würde ein Suchgerät dauernd ausschlagen.“ Zum anderen gebe es auch nicht genügend Mitarbeiter, um solch eine Suche durchzuziehen.

Am Sonntag entschärfte der Kampfmittelräumdienst eine 500-Kilogramm-Bombe in Neuwied, am Montag eine 250-Kilogramm-Bombe bei Spay. Und nun steht die größte Herausforderung bevor, die Entschärfung des riesigen Blindgängers in Koblenz am Sonntag. Für die Kampfmittelbeseitiger ist das ein normaler Einsatz. „Wirklich Arbeit damit hat ja die Stadt, die alles räumen lassen muss“, gibt Lenz zu bedenken. Für den Kampfmittelräumdienst sei es egal, wie groß die Sprengleistung sei, erklärt Lenz. Er und seine Kollegen stünden so dicht dran, dass auch die kleinste Bombe sie töten könne.

Das erste, was Lenz nach getaner Arbeit macht, ist seine Frau anrufen. „Sie ist recht ängstlich und wird unheimlich sauer, wenn ich mich nicht gleich melde.“ Eine Entschärfung erfordere höchste Konzentration, die Gefahr habe er dabei nicht wirklich vor Augen. „Aber nach getaner Arbeit falle ich in ein Loch, wenn das Adrenalin weg ist“, beschreibt Lenz, der seit 1984 beim Kampfmittelräumdienst arbeitet, das Gefühl. Er fahre dann nach Hause, nehme seine Frau in den Arm, lese noch ein wenig und gehe schlafen.

Wie schnell ihre Arbeit erledigt sein wird, wissen die Bombenräumer erst am Sonntag. Dann wird das Rheinwasser mit schweren Pumpen aus einem künstlichen Damm abgepumpt. „Die Bombe soll so lange wir möglich in dem Medium bleiben, in dem sie 66 Jahre gelegen hat“, sagt Lenz. Die drei Zünder aus Messing lassen sich theoretisch relativ schnell ausschrauben, wenn sie nicht durch den Aufprall verformt sind.

Wichtig sei auch, dass die rund 45.000 betroffenen Menschen die Evakuierung ernst nehmen. „Bei einer der letzten Entschärfungen in Koblenz schaute ich hoch und da stand doch tatsächlich ein Mann am Fenster“, erinnert sich Schmid. Der Mann musste erst einmal in Sicherheit gebracht werden. Wenn so ein Blindgänger tatsächlich einmal bei einer Entschärfung explodieren würde, hätte das verheerende Folgen. „Also diese riesige Bombe hier im Rhein hätte den Stadtteil Pfaffendorf zerstören können“, ist sich Schmid sicher.