Dresden/Berlin. Autor hatte bei Demo gehetzt. Verfassungsschutzchef sieht bei Pegida keine extremistische Gefahr. Özoguz fordert Sonderkommissionen.

Rechtsradikale Sprüche, hetzerische Plakate: Der offen zur Schau getragene Fremdenhass bei der Pegida-Demo am Montag in Dresden hat für Entsetzen gesorgt. Sachsens Ministerpräsident Stanislav Tillich (CDU) sagte dem Abendblatt, die Pegida-Rhetorik sei „unerträglich“: „Wer hetzt, hat die Grenze der Meinungsfreiheit längst überschritten.“ Gegen den Schriftsteller Akif Pirincci („Felidae“) ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. Er hatte bei seiner Pegida-Rede deutsche Politiker als „Gauleiter gegen das eigene Volk“ bezeichnet und gesagt: „Die KZ sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

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Linken-Abgeordneter zeigt Pirinçci an

13.14 Uhr: Der Berliner Linke-Abgeordnete Hakan Taş hat Strafanzeige gegen den deutsch-türkischen Autor und Rechtspopulisten Akif Pirinçci wegen Volksverhetzung und Verherrlichung des Nazi-Regimes erstattet. Er habe sie online bei der Berliner Polizei eingereicht, sagte Taş. Der Linke bezog sich auf die Rede von Pirinçci auf der Pegida-Demo vom Montag. Diese sei „hetzerisch und diffamierend“ gewesen. „Mit dem Satz "Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb" hat er alle Grenzen der Meinung- und Redefreiheit überschritten“, erklärte Taş.

Der deutsch-türkische Autor hatte diesen Satz am Montag nicht auf Flüchtlinge bezogen. Vielmehr versuchte er damit, deutsche Politiker zu verunglimpfen, die - so seine Wortwahl - „zunehmend als Gauleiter gegen das eigene Volk“ agierten.

Sachsens Verfassungsschutzchef wiegelt ab

11.26 Uhr: Der sächsische Verfassungsschutz sieht in Pegida offenbar noch keine extremistische Gefahr. Die Großdemo in Dresden habe gezeigt, „dass die überwiegende Mehrzahl der Versammlungsteilnehmer nach wie vor nicht dem extremistischen Spektrum zuzuordnen ist“, sagte der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath, dem Berliner „Tagesspiegel“.

Dennoch sei abermals deutlich geworden, „dass auf diesen Veranstaltungen eine stark emotionale Grundstimmung herrscht“. Diese verleite einzelne Redner und Teilnehmer „zu zunehmenden verbalen Ausfällen, die teilweise nicht mehr vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind“, sagte Meyer-Plath weiter. So seien durch Redner bei Pegida-Veranstaltungen in den vergangenen Wochen wiederholt Begriffe wie „Umvolkung“ verwendet und Asylbewerber als „Invasoren“ bezeichnet worden. Dieses Vokabular weise „eine hohe Anschlussfähigkeit in Richtung rechtsextremistischer Szene“ auf. Zudem sei auffällig, so der Verfassungsschutzchef weiter, dass seit Ende September vor dem Hintergrund des aktuellen Handelns der Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage in Reden immer wieder ein vorgebliches Widerstandsrecht aus dem Grundgesetz „beworben“ werde.

Einen generellen Einfluss von Rechtsextremisten auf die sogenannte „Gida“-Bewegung in Sachsen gebe es aktuell nicht, sagte Meyer-Plath: „Allerdings gab es in der Vergangenheit Fälle von 'Gida'-Ablegern, die unter rechtsextremistischen Einfluss geraten sind, so wenn beispielsweise die Organisatoren es zuließen, dass die rechtsextremistische Band 'A3stus' auftreten konnte.“

Özoguz für Aufklärung statt Verbote

9.07 Uhr: Nach den volksverhetzenden Äußerungen auf der Pegida-Demonstration in Dresden hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özuguz (SPD), rasche Aufklärung gefordert. Das sei dringlicher als ein Verbot solcher Proteste, sagte sie im Inforadio des RBB. Bei Straftaten oder volksverhetzenden Äußerungen müsse der Rechts-Staat zeigen, dass er sich wehre. Dazu sollten Sonderkommissionen der Polizei gebildet werden.

Özuguz war am Dienstag zu Besuch im sächsischen Freital. Dort waren immer wieder Unterstützer von Flüchtlingen bedroht worden. Vor allem im Sommer hatte es massive fremdenfeindliche Proteste gegen eine Flüchtlingsunterkunft gegeben. Özuguz zollte den Unterstützern Respekt für ihr Wirken, zumal sie täglich Mord- oder andere Drohungen erhalten würden. Der Freitaler Linken-Stadtrat Michael Richter, der selbst bedroht worden war, hatte Özuguz in die Kleinstadt eingeladen. Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU) nahm trotz Ankündigung nicht an dem Gespräch mit der Integrationsbeauftragten teil.

Pressestimmen: "Pegida reizt Grenzen immer dreister aus"

8.09 Uhr: Die Pegida-Jahresdemo vom Montag ist auch heute wieder eines der Top-Themen in deutschen, aber auch ausländischen Medien. Hier eine Auswahl der Pressestimmen:

Pressestimmen zu Pegida

„Der Standard“ (Wien)

„Es geht ganz konkret gegen die Asylpolitik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, um deren Hals sich Demonstranten auch die Schlinge eines Galgens wünschen. Mit den Pegida-Chefs noch irgendein Gespräch zu führen ist mittlerweile sinnlos geworden. Es sind Akteure, die nicht auf Ängste hinweisen, sondern hetzen wollen. Dennoch darf man ihnen nicht einfach die Straße überlassen. Es ist gut, dass viele wieder gegen Pegida aufstehen und ein anderes Bild von Dresden zeigen wollen. Auch Politik, Justiz und Polizei müssen diese radikalen Töne ein Auftrag sein: Es darf gegen diese Hetzer null Toleranz geben. Der Staat muss ganz klar zeigen, auf welcher Seite er steht.“

”Thüringische Landeszeitung” (Weimar)

Keine Frage: Es ist ein Gebot der Stunde, dass die Politik sich jetzt kompromisslos gegen rassistische und ausländerfeindliche Äußerungen von Pegida und wem auch immer stellt und deutlich macht: Dafür ist in unserer Demokratie kein Platz, das dulden wir nicht. Erst recht nicht verbale Entgleisungen vom Schlage eines Akif Pirinçci. Derartiges muss der Rechtsstaat mit aller Schärfe geißeln und ahnden. Gleichwohl drängt sich der Verdacht auf, dass der Politik die Debatte über die wachsende Radikalisierung der Asylgegner nicht ganz ungelegen kommt. Lenkt sie doch in gewisser Weise davon ab, dass sich die Politik weiterhin um klare Antworten auf Fragen zur Flüchtlingskrise, wie sie Millionen Bürger derzeit umtreiben, drückt. Fragen wie: Warum behauptet die Bundeskanzlerin, dass man die deutsche Grenze nicht sichern kann - während sie doch gleichzeitig der Türkei Milliarden dafür überweisen will, ihre Grenze zu sperren? Warum strömen auch nach dem humanitären Akt vom 5.September täglich Tausende Asylsuchende nach Deutschland, obwohl sie bereits vier, fünf Länder durchquert haben, in denen sie zumindest vor Bomben und Hunger sicher waren? Und weshalb ziehen sich Asylverfahren in Deutschland noch immer ewig in die Länge? Solange die Politik Antworten schuldig und im Vagen bleibt und nur ihr ”Wir schaffen das”-Mantra wiederholt, solange werden Gerüchte ins Kraut schießen, sich Demagogen gegenseitig in der Hetze gegen Flüchtlinge zu überbieten suchen und sich Bürger, die sich ohnmächtig und unverstanden fühlen, rechten Rattenfängern anschließen. Daran werden moralische Appelle allein nichts ändern. So fatal es ist.

„Hannoversche Allgemeine Zeitung“

Nun wird der Rassismus immer offener und direkter ausgedrückt. Das ist die Chance, die Anführer von Pegida als das zu entlarven, was sie sind: Feinde des demokratischen und parlamentarischen Systems der Republik. Vielleicht liegt daher in der Radikalisierung von Pegida die Chance einer Aufklärung.

„Sächsische Zeitung“ (Dresden)

Nach einem Jahr Pegida wissen sich einige nicht mehr anders zu helfen, als um Verbote zu flehen. Manche verlangen gar, Pegida-Versammlungen aufzulösen. Es stimmt schon, das fremdenfeindliche Bündnis hat sich deutlich radikalisiert. Aber nicht erst seit gestern. Wer glaubt, dass jetzt mit Verboten der Protest in Dresden von der Straße zu bekommen wäre, der verkennt die Lage. Umgekehrt darf sich die Justiz keineswegs aus Sorge vor noch mehr Wut zurückhalten. Die Grenzen werden von Einzelnen bei Pegida tatsächlich von Mal zu Mal dreister ausgereizt.

„Mannheimer Morgen“

Die chaotischen Bilder, die es bei der Unterbringung der Asylbewerber vielerorts gibt, sind sehr schädlich. Man kann nur hoffen, dass sich die beschlossenen organisatorischen Verbesserungen bald bemerkbar machen. Ohne die heutigen Probleme kleinreden zu wollen: In ein, zwei Jahrzehnten wird man sie vielleicht ganz anders sehen. Dann könnte es heißen, dass Deutschland dank all der Bürgerkriegsflüchtlinge seine überalterte Bevölkerung verjüngen und so seine Sozialsysteme bewahren konnte. Pegida dürfte dann nur eine Fußnote in den Geschichtsbüchern sein. Auf dem langen, beschwerlichen Weg wäre das doch eine schöne Aussicht.

„Braunschweiger Zeitung“

Die Attacke auf die Kölner Wahlsiegerin Henriette Reker, die massiven Drohungen gegen Flüchtlinge, ehrenamtliche Helfer, Kommunalpolitiker und Bundesminister zeigen: Der Rechtsstaat muss auf der Hut sein. Die Freiheitsrechte unserer Demokratie sind kein Freibrief für geistige Nachfahren der Höllengestalten Hitler, Himmler, Streicher. Solche Leute dürfen nie wieder eine Chance erhalten, unser Land ins Unglück zu stürzen. Maas’ Einlassungen haben allerdings einen strengen Beigeschmack. Wer die Hetzredner kritisiert, sollte einen Satz für die Bürger übrig haben, die die Sorge vor Überforderung umtreibt. Maas gehört einer Bundesregierung an, die sich in der Flüchtlingskrise keineswegs durch planvolle Qualitätsarbeit auszeichnet. In den Kriegsregionen ist kein Mensch seines Lebens sicher, Hunderttausende Flüchtlinge drängen nach Europa, die EU profiliert sich als solidaritätsfreie Zone - und die Bundesregierung wirkt ratlos. Wer sagt eigentlich, dass die Gegendemonstranten unter dem sympathischen Banner „Herz statt Hetze“ weniger besorgt sind?

„Mittelbayerische Zeitung“ (Regensburg)

Gegen rechtsextreme, geschichtsvergessene Hassprediger hilft nun wirklich nur noch die Härte des Rechtsstaates. Dass sich selbst der vorbestrafte Pegida-Anführer Lutz Bachmann von Pirinccis unsäglichem Auftritt distanziert, geschah wohl eher aus der Sorge, dass der Staat den ganzen Spuk verbieten könnte. Etwas anders mögen die Dinge bei vielen der Mitläufer liegen, die die Pegida als ihr Wut-Ventil auf „die da oben“ betrachten. Dass man sich Sorgen um zu viele Flüchtlinge in Deutschland macht, dass Fragen zur Funktionsfähigkeit der Kommunen, zur Leistungsfähigkeit unserer Sozialsysteme gestellt werden, ist legitim, Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge, gegen Politiker, Bürgermeister, Landräte, Polizisten, gegen Journalisten ist es nicht. Pegida-Mitläufer können nur erreicht werden mit klaren, ehrlichen Worten, mit Konzepten, die wir diese riesige Herausforderung meistern können. Einfache Wir-schaffen-das-Rhetorik der Kanzlerin reicht dazu ebenso wenig aus wie die Wir-machen-die-Grenzen-dicht-Phantasien von anderen Konservativen.

„Sme“ (Slowakei)

„Politiker der Mitte, etwa von der CDU/CSU, die in halber Fraktionsstärke die Schließung der Grenze zu Österreich fordern, wiederholen nur das Lied, das Pegida schon länger singt. Oder sie laufen Pegida sogar entgegen, indem das neue Asylgesetz die Regeln verschärft und die Asylverfahren beschleunigt - wie es eine der Programmthesen der ”Europäer gegen die Islamisierung” fordert. Natürlich wird das den Pegida-Anhängern nicht reichen (sonst könnte sich Pegida ja gleich auflösen), sondern sie werden radikalere Forderungen aufstellen. Das ändert aber nichts an der Tendenz, die überall in Europa wirkt: Die politische Mitte hört aufmerksam auf den (rechtspopulistischen) Rand.“

„Hospodarske noviny“ (Tschechien)

„Für die Pegida-Bewegung war es am Montag in Dresden nicht nur eine Reprise einer ein Jahr alten Premiere. Denn was sich verändert hat, ist die Stimmung in ganz Deutschland. Die Gesellschaft ist gespalten und die Spannungen zwischen beiden Lagern wachsen. Es kommt zu gewaltsamen Angriffen auf bestehende und geplante Flüchtlingsunterkünfte. Auf einer Dresdner Demonstration wurden symbolisch Galgen für die Kanzlerin hochgehalten. Der Angreifer auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker soll Kontakte zur rechten Szene gehabt haben. Alle diese Symptome zeigen, dass Bundespräsident Joachim Gauck Recht hatte, als er sagte, dass der Zuzug von Flüchtlingen ”unser Land verändern wird”. Aber er dürfte nicht die Veränderung gemeint haben, die in Deutschland derzeit zu beobachten ist.“

„Latvijas Avize“ (Lettland)

„Ich bin kein Nazi, aber...” ist eine typisch Phrase, mit der Pegida-Demonstranten in verschiedenen deutschen Städten ein Gespräch mit Journalisten beginnen. Nach dem ”aber” folgen ”das Maß ist voll”, ”Migration sollte begrenzt werden” und ähnliche Begründungen. (...) Die Forderungen der Demonstranten sind heute viel präziser als am Anfang. Inzwischen gibt es konkrete Politiker, denen die Schuld für die ”Islamisierung” und den Zustrom von Einwanderern zugeschrieben wird - es ist die deutsche Bundeskanzlerin.“

1/10

NRW-Minister: Bei Hetze Polizei einschalten

7.48 Uhr: Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty hat an alle Bürger appelliert, Hass-Mails und jede Form der Bedrohung durch fremdenfeindliche Hetzer ernst zu nehmen. Im Zweifel sei es stets besser, die Polizei zu verständigen, sagte der SPD-Politiker in Düsseldorf. Wer Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit schüre, habe nicht verstanden, worauf das Abendland aufbaue. „Pegida ist nicht die Verteidigung des Abendlands, sondern dessen Ende“, unterstrich Kutschaty.

Lucke wegen Pegida hin und hergerissen

7.40 Uhr: Der ehemalige AfD- und heutige Alfa-Chef Bernd Lucke hat der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung vorgeworfen, bewusst den Tabubruch zu suchen. Er würde nie an einer Pegida-Demonstration teilnehmen, sagte er der „Frankfurter Neuen Presse“ (Mittwoch). Gleichzeitig äußerte er aber Verständnis für einen großen Teil der Demonstranten.

Seine einstige Partei AfD sei auf strammem Rechtskurs, sagte Lucke der Zeitung. Verantwortlich dafür sei Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke, der den Schulterschluss mit Pegida suche. Nach einem Bruch mit dem nationalistischen Flügel der Partei hatte Lucke seinen Austritt aus der AfD erklärt und im Juli zusammen mit anderen die Partei Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) gegründet.

Stegner appelliert an Verfassungsschutz

7.34 Uhr: Mit den Organisatoren der Pegida-Bewegung sollte sich nach Ansicht von SPD-Vize Ralf Stegner der Verfassungsschutz befassen. „Verfassungsfeindliche Bestrebungen müssen vom Verfassungsschutz beobachtet werden“, sagte er der "Welt". „Zu prüfen wäre beispielsweise, ob die Organisatoren von Pegida verfassungsfeindlich agieren.“ Die Rechtsradikalen bei Pegida stünden außerhalb unserer Gesellschaft, sagte der stellvertretende Parteichef. „Mit Deutschland haben die nichts zu tun, nicht mal mit Dresden, wie die vielen Gegendemonstranten für eine bunte weltoffene Stadt gezeigt haben.“