Peinlich, peinlich: Eine Brücke bleibt für den Zugverkehr gesperrt, weil die Bahn bei der Belastungsberechnung die Passagiere vergessen hat.

Solingen/Düsseldorf. Seit mehr als fünf Monaten ist Deutschlands höchste Eisenbahnbrücke gesperrt - Ende nicht absehbar. Mehrfach musste die Bahn die angekündigte Wiedereröffnung der Müngstener Brücke im Bergischen Land verschieben. Der jüngste Grund ist besonders ungewöhnlich: Die Bahn hat die Passagiere vergessen. Im Antrag an das Eisenbahnbundesamt (EBA) wurde das Leergewicht eines Zuges zugrunde gelegt. „Jetzt arbeiten wir mit Hochdruck an den statischen Berechnungen mit dem neuen Gewicht“, sagte ein Bahnsprecher am Mittwoch in Düsseldorf. Wann wieder Personenzüge über die Brücke rollen dürfen, ist offen.

Die denkmalgeschützte Bogenbrücke verbindet in Nordrhein-Westfalen Solingen mit Remscheid. Vor 112 Jahren wurde sie über das Flusstal der Wupper gebaut. Die Stahlkonstruktion ist 107 Meter hoch und 465 Meter lang. Vor einem Jahr hatte das Eisenbahnbundesamt die Bahn aufgefordert, die Standsicherheit der Brücke nachzuweisen. Bis dahin sollten Züge das Bauwerk nur noch in Schrittgeschwindigkeit passieren. Im November sperrte die Bahn die Müngstener Brücke dann überraschend - wegen Sanierungsarbeiten. Seitdem müssen die Passagiere - täglich mehrere Tausend - das Tal mit Bussen durchqueren. Eigentlich sollte die Sperrung noch 2010 wieder aufgehoben werden, doch der Frost machte der Bahn einen Strich durch die Rechnung und verzögerte die Arbeiten.

Vor einigen Wochen reichte die Bahn dann einen Genehmigungsantrag beim EBA ein. „Darin war für die Züge teilweise ein Gesamtgewicht von 69,9 Tonnen angegeben“, sagte der Bahnsprecher. „Kurioserweise stellte sich dann aber heraus, dass es sich dabei um das Leergewicht der Züge handelte. Mit Passagieren muss man von 81 Tonnen ausgehen.“

Die erteilte Genehmigung des EBA erlaubte ein Zug-Gesamtgewicht von 72 Tonnen, bei einer Achslast von 10 Tonnen. „Züge, die diese Vorgaben einhalten, dürfen die Brücke befahren“, sagte ein EBA-Sprecher am Mittwoch. Doch Anfang der Woche scheiterten sogar Probefahrten mit leeren Zügen: Das Achsgewicht war zu groß. „Die Bahn muss jetzt neue statische Berechnungen durchführen und bei uns einreichen“, sagte der EBA-Sprecher.

Dies soll nach Angaben des Bahnsprechers „schnellstmöglich“ geschehen - allerdings mit der notwendigen Sorgfalt, „damit das dieses Mal 150-prozentig klappt“.