In Chemnitz, Sachsen, ertranken drei Menschen in einem überfluteten Keller, in Polen kam ein Mann in einem Gewittersturm ums Leben.

Chemnitz. Die Jahrhundertflut von 2002 ist noch immer fest im Kopf vieler Menschen in Sachsen verankert. Heftige Regenfälle und Überschwemmungen rufen diese Erinnerungen nun wieder wach: Tief „Viola“ hat am Sonnabend auf dem Weg gen Osten Sachsen und das benachbarte Polen heimgesucht.

Im Erzgebirge ertranken drei Menschen bei dem Versuch, Habseligkeiten aus ihrem überschwemmten Keller zu retten. In der Region waren zahlreiche überflutete Straßen und ein Abschnitt der Autobahn 72 zeitweise nicht mehr befahrbar.

Rund 11 000 Haushalte waren mehrere Stunden lang ohne Strom. Vielerorts standen Keller unter Wasser. Stellenweise hatte es mehr als 50 Liter pro Quadratmeter geregnet, Bäche und kleinere Flüsse traten über die Ufer. Dem Gewittersturm fiel auch im benachbarten Polen ein Mensch zum Opfer.

Im sächsischen Neukirchen starben eine Frau und zwei Männer beim Versuch, Habseligkeiten im Keller des Mehrfamilienhauses vor eindringendem Wasser zu retten. Die Feuerwehr fand die 72-Jährige, ihren Mann (74) sowie einen 63-jährigen Nachbarn beim Auspumpen des Untergeschosses. Eine Ärztin konnte nur noch ihren Tod feststellen. Staatsanwaltschaft und Polizei gehen von einem tragischen Unglück aus. Das schnell ansteigende Wasser habe die Menschen überrascht „und sie ertranken“, teilten die Behörden mit. Im Ort gebe es zahlreiche Bäche, die über die Ufer getreten waren, sagte ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur dpa.

Wegen Überflutung waren Straßen in mehreren Orten wie die Bundesstraßen 173 und 107 in Chemnitz sowie die Autobahn 72 Chemnitz- Hof zwischen Chemnitz-Süd und Stollberg-Nord zeitweise gesperrt. Mit Sandsäcken sicherte die Feuerwehr in Wilkau-Haßlau die Bundesstraße 93 vor Überflutung. Vor allem im Erzgebirge und in Chemnitz setzten übervolle kleine Flüsse Fahrbahnen unter Wasser. Dort wurden auch der Straßenbahnverkehr teilweise und der City-Bahnverkehr nach Stollberg komplett eingestellt. Zwei Pflegeheime waren von der Außenwelt abgeschnitten. „Die Bewohner sind aber sicher“, sagte Stadtsprecherin Katja Uhlemann.

Aus Sicherheitsgründen wurden zudem 26 Trafostationen vom Netz genommen, 5000 Haushalte hatten zeitweise keinen Strom. Auch die geplante Eröffnung des Stadtbades musste abgesagt werden. Die Anlage war für vier Millionen Euro saniert worden. Im Stadtteil Harthau wurden die Schulanfangsfeiern abgesagt. „Die Grundschule war wegen Überflutung nicht erreichbar.“ Die Feuerwehr dichtete unweit davon ein Düngemittellager mit Sandsäcken ab, in dem Löschkalk gelagert ist. Anwohner berichteten, dass bei ihnen das Wasser höher im Keller stieg als bei der Flutkatastrophe von 2002.

In der gesamten Stadt waren seit dem Morgen 350 Beamte der Feuerwehren, der freiwilligen Feuerwehren und des Ordnungsamtes im Einsatz. Die Pegel der Flüsse stiegen zunächst stark an, sanken am Mittag aber wieder leicht. Die Chemnitz lag am Vormittag bei 3,14 Metern, die Würschnitz bei 2,27 Metern und die Zwönitz bei 2,59 Metern. Normal seien im Sommer 40 bis 50 Zentimeter. „Wie es weitergeht, ist offen“, sagte Uhlemann.

Wegen des überfluteten Umspannwerks Jahnsdorf im Erzgebirgskreis waren 5700 Haushalte fast vier Stunden lang ohne Strom. „Es musste sofort abgeschaltet werden“, sagte der Sprecher der Mitteldeutschen Energie AG enviaM in Chemnitz, Stefan Buscher. Das Wasser sei abgepumpt worden. Die Kunden in neun Orten wurden über andere Umspannwerke oder Notstromaggregate versorgt. Es sei nicht absehbar, wann die Anlage wieder in Betrieb genommen werden kann, sagte der Sprecher. In zahlreichen weiteren Haushalten Südwestsachsens musste der Strom wegen überfluteter Keller abgeschaltet werden, so enviaM.

Behinderungen gab es auch im Zittauer Gebirge. Eine Sprecherin der Feuerwehr beschrieb die Lage im Zittauer Gebirge als „katastrophal“. Der Deutsche Wetterdienst hatte am Morgen für mehrere Landkreise in Ostsachsen wegen extrem ergiebiger Starkregenschauer und Gewitter Warnungen vor Überflutungen und Erdrutschen herausgegeben. Sie wurden am Nachmittag teilweise wieder aufgehoben. Hochwasserwarnungen gab es dagegen für die Elbe und ihre oberen Nebenflüsse, die Lausitzer Neiße, die Mulde und die Schwarze Elster. Vor allem an der Lausitzer Neiße und ihren Zuflüssen spitzte sich die Lage dramatisch zu, teilte das Landeshochwasserzentrum in Dresden mit. In Zittau und Großschönau wurde die Alarmstufe 4 bereits ausgerufen, an mehreren Pegeln sind neue Höchstwasserstände nicht ausgeschlossen. Auch an der Elbe, die am Pegel Dresden bei 4,40 Meter stand, gilt Alarmstufe 1. Erwartet wird, dass sie bis Sonntagabend auf 5,15 Meter ansteigt. Normal sind zwei Meter. In den Talsperren wurden die ersten Hochwasserrückhalteräume geöffnet.

Nach einem heftigen Gewittersturm mit starken Niederschlägen wurde die polnische Stadt Bogatynia an der Grenze zu Sachsen fast vollständig überflutet. Ein Mensch sei dabei ums Leben gekommen, sagte der Sprecher der polnischen Feuerwehr, Pawel Fratczak, der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Das Flutopfer soll vom starken Strom des Flusses Miedzianka mitgerissen worden sein. Viele Menschen warteten auf den Dächern ihrer Häuser auf Rettung. Die örtlichen Behörden baten das Militär um Hilfe. In der Nacht hatte es auch in anderen Teilen Polens, unter anderem in Warschau, stark geregnet.