Sollte Polens Regierung den Katastrophenzustand wegen des Hochwassers ausrufen, müssten die Wahlen Ende Juni verschoben werden.

Warschau/Berlin. Die seit Tagen anhaltenden Überschwemmungen in Polen könnten nach Ansicht von Verfassungsrechtlern zu einer Verschiebung der Präsidentschaftswahlen Ende Juni führen. Sollte die Regierung in Warschau wegen des Hochwassers den Katastrophenzustand ausrufen, dürften während dieser Zeit und an den darauffolgenden 90 Tagen laut Verfassung keine landesweiten Wahlen abgehalten werden, sagte der polnische Rechtsexperte Piotr Winczorek am Mittwoch. In Polen kann ein Katastrophenzustand bis zu 30 Tage lang gelten und vom Parlament daraufhin verlängert werden. Die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen sind für den 20. Juni vorgesehen.

Bei den Überschwemmungen kamen in den vergangenen Tagen sieben Menschen ums Leben; tausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Die Möglichkeit zur Ausrufung eines Katastrophenzustands ist in vielen Ländern gesetzlich verankert, um die Rettungskräfte im Notfall mit mehr Befugnissen auszustatten. Dies stehe in Polen derzeit aber nicht zur Debatte, sagte Ministerpräsident Donald Tusk, der am Dienstag und am Mittwoch die betroffenen Regionen im Süden des Landes besuchte. Rettungskräfte hätten ihm versichert, dass die Ausrufung eines Katastrophenzustands zurzeit nicht nötig sei.

Die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen sind nach dem tragischen Unfalltod von Staatschef Lech Kaczynski nötig geworden. Er war am 10. April mit seiner Frau und 94 weiteren Insassen gestorben, als ihr Flugzeug in der Nähe der russischen Stadt Smolensk abstürzte. Die Amtsgeschäfte hat derzeit Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski inne, der für die Liberalen bei dem Urnengang antritt. Auch Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw bewirbt sich um das Präsidentenamt.

Das seit Tagen andauernde Hochwasser in Polen bedroht die KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Es werde alles getan, um das Museum zu schützen, teilte die Leitung der Gedenkstätte am Mittwoch mit. Über Nacht habe das Hochwasser der Weichsel Schutzwälle zerstört. Die Flut gefährde nun die Gedenkstätte und benachbarte Ortschaften. Im Konzentrationslager Auschwitz brachten die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs 1,5 Millionen Menschen um, die meisten waren Juden.

Schwere Regenfälle in Ungarn, der Slowakei, Tschechien und im Süden Polens haben die Weichsel an vielen Stellen über die Ufer treten lassen. Bei dem Unwetter kamen bisher sieben Menschen ums Leben, Tausende andere mussten ihre Häuser verlassen.

Das Hochwasser in Polen dürfte sich am Pfingstwochenende auch in Deutschland bemerkbar machen. Das brandenburgische Umweltministerium erwartet steigende Pegel an der Oder, die aber nicht das Ausmaß des Hochwassers von 1997 annehmen dürften. Zudem seien in den vergangenen 13 Jahren 220 Millionen Euro in den Deichbau an der Oder investiert worden, erklärte Ministerin Anita Tack.