Die neue Trash-Queen würde am liebsten mit einem Lover in den Dschungel zurück. „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ schwächelt bei den TV-Quoten und glänzt im Internet.

Coolangatta/Berlin/Hamburg. Geht so Dschungel heute? Eine Frau, die sich Buchstabenverdreherin nennen lassen muss, ist die neue Dschungelkönigin, sie wurde „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ – und immer weniger Zuschauer schalten die RTL-Show ein. Keine herausragende TV-Quote auch für das Finale des Dschungelcamps 2015, das Maren Gilzer gewann. Aber der Tagessieg war dem Trash-TV sicher. 7,43 Millionen Zuschauer (32,8 Prozent Marktanteil) bescherten dem Dschungelcamp Platz eins noch vor der Tagesschau auf Platz drei (6,63 Mio., 22,9 MA) und der Fußball-Bundesliga in der Sportschau (5,55 Mio.; 22,1 MA). Überraschend: Platz zwei der Tagesquote belegte das ZDF mit dem Krimi „Stralsund – Kreuzfeuer“.

Gilzer hätte noch länger im Camp bleiben mögen. „Ich hab' so was Wunderbares noch nie erlebt“, sagte die 54-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Das Pritschenlager sei ein Wohnzimmer für sie geworden. „Ich hab' mich im Dschungel wahnsinnig wohlgefühlt. Unter freiem Himmel, keine Mauern um mich herum, keine Türen – außer die zur Toilette. Und das war auch keine Tür, es war nur ein Vorhang.“

Sie habe das Gefühl von Freiheit und Natur unheimlich genossen, beteuerte Gilzer. Und sie kann sich eine Rückkehr in den Dschungel vorstellen: „Wenn ich einen Freund hätte, in den ich ganz doll verliebt wäre, wäre das ein richtig toller, romantischer Back-to-Basic-Urlaub“, sagte die Schauspielerin („In aller Freundschaft“). Sie habe es sich viel schlimmer vorgestellt.

In den sozialen Netzwerken wurde kein anderer Teilnehmer so oft erwähnt wie Walter Freiwald. In mehr als 123.000 Tweets und Facebook-Kommentaren ging es um den 60-Jährigen, wie die Mediaagentur MediaCom aus Düsseldorf feststellte, die für die werbetreibende Industrie die Zuschauerresonanzen analysiert. Maren Gilzer kam nur auf knapp 44.000 Erwähnungen. Schlusslicht ist Roberto Blancos Tochter Patricia, die in 7648 Beiträgen vorkommt.

Insgesamt zählte die Agentur 691.555 Kommentare bei Twitter und Facebook, in denen die Zuschauer über die Sendung sprachen. „Damit ist das Dschungelcamp 2015 wieder einmal die am häufigsten in Social Media erwähnte TV-Sendung im deutschen Fernsehen“, hieß es. Nie zuvor sei so viel kommentiert und geliked worden, sagte MediaCom-Geschäftsführer Oliver Blecken. Die Resonanz auf das Camp in Sozialen Medien sei für deutsche Verhältnisse beispiellos.

Maren Gilzer hat alle aus dem Feld geschlagen. Sie hat die ärgsten Widrigkeiten des Dschungels in Angriff genommen: Schafhoden, Schlangengrube und Walter Freiwald. Einst Buchstabenfee beim „Glücksrad“, dann als Schwester Yvonne in der Arzt-Serie „In aller Freundschaft“, schwankte Maren in der neunten Staffel des Dschungelcamp zwischen Camp-Mutti und großem Mädchen mit Zöpfchen links, Zöpfchen rechts. Nachdem sie in der Nacht zum Sonntag den Thron bestiegen hatte, bedankte sie sich erst mal für die harmonische Gruppe – die RTL nach Experteneinschätzung jedoch Zuschauer kostete.

So friedvoll sich das Trio aus Gilzer, dem Zweitplatzierten Jörn Schlönvoigt (28, „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) und Tanja Tischewitsch (25, „Deutschland sucht den Superstar““) auf Platz drei am letzten Tag im Pritschenlager gab, so unaufgeregt war im Grunde die ganze Staffel. Selbst den Moderatoren Sonja Zietlow (46) und Daniel Hartwich (36) blieb zwischenzeitlich kein anderer Lästerstoff übrig als das Schlafen und Rumliegen der Camper. Sicherlich schneidet der Sender das Treiben eines ganzen Tages für die abendliche Sendung zusammen. Aber wirkliche Kracher steckten nicht in dem Material.

Einzige Ausnahme: Teleshopping-Verkäufer Freiwald (60). Maren bot ihm zwar einmal mit deutlichen Worten Paroli. Aber er dominierte die Show bis zu seinem Rauswurf als Sechstplatzierter mit einer Mischung aus Selbstbewusstsein und Größenwahn. Bundespräsident wolle er werden, erzählte er. Die ZDF-Show „Wetten, dass..?“ sei ihm angeboten – was der Sender dementiert.

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Die Kameras im australischen Urwald nutzte Freiwald gleich zu Beginn für eine offizielle Stellensuche – etwas vom Format „Wer wird Millionär“ schwebe ihm vor. Zwischendurch zog er über die Mitcamper her – oft hinter deren Rücken. Oder taperte mit heruntergelassener Hose aus dem Dschungelklo – auf der Suche nach Toilettenpapier. Und von Anfang an erklärte er sich zum Dschungelkönig.

Walter Freiwald wirbelte das Dschungelcamp zumindest etwas durcheinander

Geklappt hat das nicht – und die Ein-Mann-Show konnte RTL auch nicht vor einem Einbruch der Zuschauerzahlen bewahren. Verglichen mit der bisher erfolgreichsten Staffel im vergangenen Jahr, als im Schnitt fast acht Millionen Menschen einschalteten, waren es nun knapp 1,5 Millionen weniger. Der Kölner Privatsender sieht das naturgemäß aus einer anderen Perspektive: Kein anderes Show-Format versammele über zwei Wochen konstant so viele Zuschauer vor dem Fernseher.

Ist der Sendung ihr seit 2004 nahezu unverändertes Format zum Verhängnis geworden? Die Hamburger Medienwissenschaftlerin und Trash-Expertin Joan K. Bleicher meint, die Kandidaten, auf die es bei der Show ankomme, seien den Erwartungen nicht gerecht geworden.

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Joan K. Bleicher: Kandidaten liegen ihre Zeit ab

So habe etwa Model Aurelio Savina im Vorfeld sein erotisches Potenzial betont, sich aber in der Sendung sehr passiv gezeigt. „Andere Kandidaten wie etwa Rebecca Siemoneit-Barum sitzen beziehungsweise liegen ihre vertraglich vereinbarte Zeit ab und fungieren so als Einschlafhilfe für die Zuschauer“, sagt sie.

Auch die Wiederholung bekannter Spiele habe zum Gesamteindruck der Langeweile beigetragen. „Somit sind erste Abnutzungserscheinungen beim Format offensichtlich“, sagt die Hamburger Professorin. Dennoch bleibe das Dschungelcamp „das erste große Fernsehereignis im Januar, das kaum ein Fernsehzuschauer verpassen will“.

Ein Tipp der Expertin: RTL sollte künftig pausieren, wenn nicht ausreichend geeignete Kandidaten zur Verfügung stehen. Der Sender allerdings plant schon mal Staffel zehn für das kommende Jahr. Und gerüchteweise wird sogar an einem neuen Ableger im Sommer gearbeitet.