Kaum medizinische Hilfe für Tausende Ebola-Infizierte in Afrika, enorme Anstrengungen für wenige Opfer im Westen. Dabei wäre Hilfe vor Ort die beste Vorbeugung gegen das Virus in Deutschland.

Frankfurt/Main. Als Matthias Grade nach Liberia kam, war er nach eigenen Angaben „der erste und einzige weiße Arzt“ im gesamten Verwaltungsbezirk Lofa. Eigentlich sollte der Mitarbeiter der Organisation Ärzte ohne Grenzen im Norden des Landes ein Behandlungszentrum aufbauen. Aber dann musste er aus dem Stand 147 Ebola-Patienten betreuen. Was er in den drei Wochen dort erlebt hat, schildert er am Mittwoch in Frankfurt.

Die Arbeit sei psychisch und physisch sehr anstrengend: „Jeden Morgen schleppen Sie tote Kinder von der Station.“ In dem Schutzanzug könne man maximal eine Stunde arbeiten, „man schwitzt wahnsinnig, die Brille beschlägt, danach können Sie die Gummistiefel auswringen“.

70 bis 80 Prozent der Infizierten seien gestorben, in anderen betroffenen Ländern seien es nur 50 Prozent gewesen, berichtet der Internist und Gastroenterologe aus Niedersachsen. Der Grund: Zu viele Patienten, zu wenig Helfer. In Liberia gebe es praktisch kein Gesundheitssystem. „Vor Beginn der Epidemie gab es im ganzen Land 50 gemeldete Ärzte.“ Die Kliniken in Liberia sind überfüllt. Weil es keine andere Möglichkeit gebe, würden die Menschen zu Hause betreut.

Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation habe er „kein einziges Mal“ gesehen, sagt der Chefarzt des Christlichen Krankenhauses im niedersächsischen Quakenbrück – um sich kurz darauf doch an eine Begegnung zu erinnern, „einen: am Flughafen, mit einem Laptop“. Die Weltgemeinschaft, auch die deutsche Regierung müssten handeln, fordert der 48-Jährige. „Tausende haben überlebt. Das zeigt doch: Man kann das Virus bekämpfen.“

„Wir leisten durch Behandlung vor Ort die beste Prävention“


Wieso es so wenig westliche Helfer in Afrika gibt? „Das ist nicht Sandsackschleppen“, sagt August Stich, Chefarzt der Tropenmedizin der Missionsärztlichen Klinik Würzburg. „Das ist etwas für hoch professionelle, speziell ausgebildete Teams“. Freiwillige gebe es genug, aber nicht alle seien geeignet. Allein das An- und Ausziehen des Schutzanzugs müsse geübt werden mit militärischem Drill. „Ebola verzeiht keine Fehler.“

Seit Stich Helfer für den Einsatz in Afrika ausbildet, bekommt er ständig „bitterböse E-Mails“: Wenn die Helfer zurückkehrten, könnten sie Ebola nach Deutschland einschleppen, glauben manche. Dabei sei es gerade umgekehrt, findet Stich: „Wir leisten durch die Behandlung vor Ort die beste Prävention für den Rest der Welt.“

„In einer privilegierten Luxussituation“ seien die wenigen Patienten, die in Europa behandelt werden, sagt Reinhard Burger, Präsident des Robert Koch-Instituts. Ganze drei waren es bisher in Deutschland, Ärzte, die vor Ort ihr Leben riskiert hätten, um Ebola zu bekämpfen. Sie abzuweisen sei „nicht vertretbar“, findet Burger.

Wieso sie hier höhere Überlebenschancen hätten, erklärt Timo Wolf, der an der Frankfurter Uniklinik den derzeit einzigen Ebola-Patienten in Deutschland behandelt: „eine bessere Infrastruktur, eine bessere intensivmedizinische Betreuung“. Der technische, finanzielle und personelle Aufwand dafür ist enorm: Mehr als 30 Mitarbeiter pro Tag für einen einzigen Patienten. In Liberia war Matthias Grade der einzige.