Freispruch ja, vollständige Rehabilitation nein: Gustl Mollath ist mit dem Urteil des Landgerichts Regensburg nicht zufrieden - und geht in Revision.

Regensburg. Der langjährige Psychiatrie-Insasse Gustl Mollath hat Revision gegen sein Freispruch-Urteil eingelegt. Ein Sprecher des Landgerichts Regensburg bestätigte am Freitag einen Bericht der „Bild“-Zeitung.

Das Gericht hatte zwar im Wiederaufnahmeverfahren die Vorwürfe der Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung als nicht erwiesen angesehen, den 57-Jährigen aber für schuldig befunden, seine Ex-Frau misshandelt zu haben.

Er wurde freigesprochen, da das Urteil im Wiederaufnahmeverfahren nicht höher ausfallen durfte, als im ersten Prozess – dort war Mollath wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und in die Psychiatrie eingewiesen worden. Ob die Revision gegen den jetzigen Freispruch statthaft und begründet ist, muss nach Angaben des Gerichts der Bundesgerichtshof entscheiden.

Freispruch ohne vollständige Rehabilitation

Gustl Mollath ist freigesprochen, aber nicht vollständig rehabilitiert: : Ein Jahr nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie hat das Landgericht Regensburg ihn am Donnerstag zwar in allen Anklagepunkten freigesprochen. Das Gericht sah es aber als erwiesen an, dass er seine Ex-Frau geschlagen, gewürgt und gebissen hat. Mollath, der für seinen Psychiatrie-Aufenthalt nun etwa 50.000 Euro Entschädigung bekommt, zeigte sich vom Urteil enttäuscht.

Im Jahr 2006 war Mollath vom Landgericht Nürnberg vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung aufgrund von Schuldunfähigkeit wegen Wahnvorstellungen freigesprochen, aber zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen worden. Im vergangenen Jahr wurde ein Wiederaufnahmeverfahren angeordnet und Mollath aus der Psychiatrie entlassen.

Der Freispruch für Mollath im neuen Prozess stand bereits im Vorhinein fest, da ein Angeklagter im Wiederaufnahmeverfahren nicht schlechter gestellt werden darf als beim ursprünglichen Urteil. Mit Spannung wurde aber die Entscheidung über Schuld oder Unschuld Mollaths erwartet.

Die Vorsitzende Richterin Elke Escher sagte, Mollath sei aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Aus tatsächlichen Gründen sei er von den Vorwürfen freizusprechen, seine damalige Frau gegen ihren Willen in der Wohnung festgehalten und außerdem Dutzende Autoreifen zerstochen zu haben. Ein Nachweis dieser Taten sei nicht zu führen gewesen. Lediglich aus rechtlichen Gründen – nämlich wegen einer nicht auszuschließenden Schuldunfähigkeit zur Tatzeit im August 2001 wegen einer psychischen Erkrankung – sei er auch vom schwersten Anklagevorwurf der gefährlichen Körperverletzung freizusprechen.

Nach Eschers Darstellung war die Kammer überzeugt, dass Mollath seine damalige Frau am fraglichen Tag im Streit „geschlagen, getreten, gewürgt und in den Unterarm gebissen hat“. Nicht glaubwürdig seien Angaben Mollaths, seine Ex-Frau habe sich die Verletzungen bei einem Sprung aus einem fahrenden Auto zugezogen. Die Bissverletzung könne „in keiner Weise“ damit erklärt werden, auch nicht die Würgemale am Hals. „Der Angeklagte hat damit den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung verwirklicht.“

Die Richterin sagte, es sei laut einem Gutachten aber nicht auszuschließen, dass Mollath wegen einer psychischen Erkrankung zur Tatzeit schuldunfähig war. Deshalb müsse er nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ in diesem Punkt freigesprochen werden. Eine akute Gefährdung gehe von Mollath nicht mehr aus, weshalb er nicht erneut psychiatrisch untergebracht werden müsse.

Für seine mehr als sieben Jahre währende Unterbringung in der Psychiatrie steht Mollath nun eine Entschädigung zu. Nach Angaben aus Justizkreisen dürfte diese pro Tag bei 25 Euro abzüglich von Kosten für die Verpflegung in Höhe von etwa sechs Euro liegen – damit dürfte sich die Zahlung auf insgesamt etwa 50.000 Euro belaufen.

Mollath zeigte sich am Rande des Prozesses enttäuscht. „Es entspricht nicht den Tatsachen. So war es nicht“, sagte er zu dem vom Gericht geschilderten Tatablauf. Nach Angaben eines Gerichtssprechers kann Mollath aber keine Rechtsmittel einlegen, da das Gericht ihn vollständig freigesprochen hat und er außerdem nicht wieder in der Psychiatrie untergebracht werden soll – eine Revisionsmöglichkeit nur gegen eine Urteilsbegründung gebe es nicht. Die Staatsanwaltschaft und die als Nebenklägerin auftretende Ex-Frau Mollaths können allerdings Rechtsmittel einlegen, beide wollen dies prüfen.

So funktionieren Wiederaufnahmeverfahren

Wiederaufnahmeverfahren haben das Ziel, rechtskräftige Gerichtsurteile nachträglich zu überprüfen. Tauchen zum Beispiel neue Zeugen oder das Ergebnis einer DNA-Untersuchung erst auf, nachdem das Urteil rechtskräftig geworden ist, kann dieses nur noch durch ein Wiederaufnahmeverfahren abgeändert werden.

Auch schwere Verfahrensmängel oder Straftaten, die Einfluss auf das Urteil haben konnten, sind Wiederaufnahmegründe. Das ursprüngliche Verfahren wird dann wiederholt. Deshalb muss auch wieder dieselbe Anklageschrift wie im ersten Prozess verlesen werden.

Bei einem Wiederaufnahmeverfahren zugunsten eines Angeklagten kann der Angeklagte zu keiner höheren Strafe verurteilt werden. Da Gustl Mollath im ersten Prozess 2006 wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen wurde, war ihm auch im Wiederaufnahmeverfahren ein Freispruch sicher, auch wenn das Gericht ihn am Donnerstag für schuldig hielt, seine damalige Ehefrau misshandelt zu haben.

2012 gab es laut Statistischem Bundesamt im deutschen Strafrecht 908 Wiederaufnahmeverfahren zugunsten eines Angeklagten und 566 zuungunsten eines Angeklagten. Das Verfahren ist an sehr strenge Voraussetzungen geknüpft. Am Ende können Verteidigung und Staatsanwalt gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen. Nicht nur im Straf-, sondern auch in allen anderen Gerichtsverfahren gibt es die Möglichkeit zur Wiederaufnahme.