Der Kunstsammler Cornelius Gurlitt ist im Alter von 81 Jahren an den Folgen einer Herzoperation gestorben. Wohin sein Besitz inklusive möglicher Nazi-Beutekunst wandert, ist offen.

München. Ein freundlicher älterer Herr, gepflegt, distanziert, vielleicht ein bisschen kauzig. So kannte man ihn – wenn man ihn wahrgenommen hat. Zeitlebens hat Cornelius Gurlitt sich von der Welt ferngehalten. Am Dienstag ist der Kunstsammler mit 81 Jahren an den Folgen einer Herzoperation gestorben – im Beisein seines Arztes und seines Pflegers. Nach einem wochenlangen Aufenthalt in einer Klinik sei es sein Wunsch gewesen, in seine Schwabinger Wohnung zurückzukehren. Dort sei er in den vergangenen Wochen rund um die Uhr versorgt worden, teilte sein Sprecher Stephan Holzinger mit.

Der am 28. November 1932 in Hamburg geborene Sohn des Kunsthändlers und Museumsdirektors Hildebrand Gurlitt, der auch im Auftrag der nationalsozialistischen Behörden mit beschlagnahmter Kunst handelte, sie wunschgemäß besorgte oder zur Devisenbeschaffung ins Ausland verkaufte, hat dessen Nachlass geerbt. Ein Nachlass, der nicht zuletzt wegen unwahrer Angaben des Vaters im Verborgenen bleiben musste.

Im November 2013 überstürzten sich dann die Ereignisse, nachdem man fast anderthalb Jahre zuvor aufgrund eines Anfangsverdachts sämtliche in seiner Wohnung lagernden Kunstwerke konfisziert hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte mit einem nicht nachvollziehbaren Anspruch auf Geheimhaltung, doch Anlass zu einem Strafbefehl war nicht gegeben. Ein „Focus“-Bericht machte die Causa Gurlitt öffentlich. Sofort nahmen Gerüchte ihren Lauf – der Sammlung wurde sofort ein Milliardenwert angedichtet, Gurlitt habe die Sammlung umgehend an die rechtmäßigen Besitzer beziehungsweise deren Erben – die freilich keiner kannte – zurückzugeben, sie zumindest im Internet zu publizieren. Dergleichen hat Cornelius Gurlitt befremdet. Es war sein Erbe.

Er ging damit und mit den Ansprüchen der Erben jener, denen in einem Unrechtsregime Hab und Gut genommen wurde, die in Konzentrationslagern ermordet wurden, soweit man es von ihm verlangte, pfleglich um, den Erlös für eine Beckmann-Gouache, die bei Lempertz 2011 versteigert wurde, teilte er mit den Erben des Kunsthändlers Flechtheim, aus dessen Besitz sie ursprünglich stammte. Cornelius Gurlitt war nicht unbelehrbar, sondern in seinem Kokon gefangen, der ihn das Dilemma, in und aus dem er lebte, nicht erkennen ließ. Fehlendes Unrechtsbewusstsein oder Reue, Furcht, vielleicht auch Trotz, Recht und Ordnung, Schuld und Sühne versammeln sich zu einem bewegenden Stoff für die epische Behandlung eines scheinbar misslungenen, in familiären Verstrickungen gefesselten Lebenswegs. Dass alle Welt halb gare Schlüsse zog, konnte nicht rechtens sein. Genauso wenig wie die voreilige Entziehung seiner Sammlung.

Nicht nur generöse Bereitschaft

Nachdem Cornelius Gurlitt von Anwälten beraten und betreut wurde, kam es im März zu einer Vereinbarung, die die Rückgabe der Kunstwerke binnen Jahresfrist vorsah. In der Zwischenzeit sollte ein Stab von Fachleuten die Herkunft der Bilder prüfen und anstehende Restitutionsverfahren in die Wege leiten. Gurlitt wollte wieder mit seiner Sammlung leben und war bereit, allen Rückgabeforderungen nachzukommen. Das ist nicht nur generös, denn der Verdacht, der auf ihm lastete, ist juristisch anfechtbar. Das ist vor allem beispielhaft, denn die „Washingtoner Prinzipien“, die seit 1998 öffentliche bzw. staatliche Sammlungen dazu verpflichten wollen, bei Rückgabeforderungen die nötigen Schritte zu unternehmen, um eine „faire und gerechte Lösung zu finden“, werden nun erstmals und ohne rechtlich gestützten Anspruch von einem Privatmann angewandt.

Cornelius Gurlitts Besitz, auch die in seinem Salzburger Haus gelagerten 60 Gemälde, gehen nun an das Nachlassgericht. Wer die Bilder erbt, ist offen. Gurlitt hat sie laut Medienberichten in einem vor wenigen Monaten aufgesetzten Testament einer Institution im Ausland vermacht.