Von einer schweren Herzoperation hatte sich der 81 Jahre alte Mann nicht mehr erholt. Er starb am Montag in seiner Wohnung in München. Nun beginnen die Spekulationen über die Zukunft der Bilder.

München. Der am Dienstag gestorbene Kunsterbe Cornelius Gurlitt soll seine gesamte Bildersammlung einer Kunstinstitution im Ausland vermacht haben. Das geht nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch) und des Norddeutschen Rundfunks (NDR) aus einem Testament hervor, das der 81-Jährige vor wenigen Monaten in einem Krankenhaus gemacht haben soll. Darin sei verfügt worden, dass die Sammlung zusammenbleiben müsse. „Ich kann bestätigen, dass Herr Gurlitt vor seiner schweren Herzoperation einen Notar-Termin wahrgenommen hat“, teilte Gurlitts Sprecher Stephan Holzinger am Dienstagabend der Nachrichtenagentur dpa in München mit.

Spiegel Online zitiert aus dem „Umfeld Gurlitts“, dass es sich um eine Institution in der Schweiz handeln soll.

Es sei nun Aufgabe des Nachlassgerichts herauszufinden, ob es ein gültiges Testament oder einen Erbvertrag oder beides gebe. „Ich kann zwar verstehen, dass die Spekulationen jetzt wild blühen, werde darüber hinaus jedoch derzeit keine Stellung nehmen“, erklärte Holzinger. „Ich möchte hingegen am Tag seines Todes betonen: Cornelius Gurlitt hat einen wesentlichen Beitrag zur Versöhnung geleistet, mehr als der deutsche Staat bis dato je in dieser schwierigen Angelegenheit unternommen hat.“

Den Medieninformationen zufolge soll Gurlitt, der auch über Barvermögen verfügte, festgelegt haben, dass keiner seiner entfernten Verwandten Anspruch auf Teile der Sammlung bekommen soll.

Gurlitt starb nicht einmal einen Monat, nachdem die Staatsanwaltschaft Augsburg beschlossen hatte, ihm die millionenschwere Kunstsammlung zurückzugeben.

Gurlitt, der seit Monaten im Mittelpunkt einer hitzigen Debatte um Nazi-Raubkunst gestanden hatte, war schwer krank und wurde bis zuletzt betreut. „Nach schwerer Herzoperation und einem wochenlangen Aufenthalt in einer Klinik war es Wunsch des Verstorbenen, in seine Schwabinger Wohnung zurückzukehren. Dort wurde er in den letzten Wochen rund um die Uhr pflegerisch betreut und versorgt“, teilten seine Anwälte mit.

Noch vor einem Monat schien der Kunstkrimi, der Gurlitts Welt Anfang 2012 aus den Fugen geraten ließ, ein versöhnliches Ende für ihn zu finden. „Ein guter Tag für Cornelius Gurlitt“, freuten sich seine Anwälte Anfang April, nachdem die Staatsanwaltschaft Augsburg die Beschlagnahmung seiner Kunstsammlung aufgehoben hatte. „Er freut sich, ist dankbar und erleichtert, dass alles sich so auflöst“, sagte sein Anwalt Tido Park damals.

Gurlitt sollte seine Bilder nach mehr als zwei Jahren der Beschlagnahmung zurückbekommen – unter der Voraussetzung, dass er den Behörden ermöglicht, die Herkunft der Bilder zu erforschen, Nazi-Raubkunst zu identifizieren und an die rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben.

Viele soziale Kontakte hatte Gurlitt, der Sohn von Adolf Hitlers Kunsthändler Hildebrand Gurlitt (1895-1956), nicht. Der Mann, der menschliche Kontakte scheute, lebte in einer Welt lebte, in der seine besten, vielleicht seine einzigen Freunde Marc Chagall, Otto Dix, Max Liebermann oder Pablo Picasso hießen. Der Mann, den der „Spiegel“ ein „Phantom“ nannte, wurde nach dem Bekanntwerden des Kunstfundes in das grelle Licht der Öffentlichkeit gezerrt. Plötzlich wusste jeder, welchen Millionenschatz er in seiner Wohnung hortete.

Für Gurlitt muss die Beschlagnahme eine Tragödie, die mediale Aufregung auf der ganzen Welt ein Schock gewesen sein. „Andere haben ihre Katze, die sie jeden Abend streicheln, er hatte seine Bilder“, sagte ein Behördensprecher damals, und ein solches Bild von Gurlitt ergibt sich auch aus den Gesprächen, die „Spiegel“-Autorin Özlem Gezer mit ihm führte. In einen Menschen sei er noch nie verliebt gewesen, sagte er da. „Mehr als meine Bilder habe ich nichts geliebt in meinem Leben.“

In der öffentlichen Meinung entwickelte sich Gurlitt schließlich vom halsstarrigen, uneinsichtigen alten Mann, der der historischen Verantwortung Deutschlands nicht gerecht wird und auf Bildern hockt, zum Justizopfer. Das Vorgehen der Augsburger Staatsanwaltschaft, die seine Bilder nach einem „schwachen Anfangsverdacht“ beschlagnahmen ließ und zwei Jahre lang festhielt, geriet ins Kreuzfeuer der Kritik.

Nach seinem Tod ist Gurlitt für Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) jemand, der sich zu seiner „moralischen Verantwortung“ bekannt hat. Für Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) hat Gurlitt „an seinem Lebensabend eine großmütige Entscheidung getroffen, sein in Deutschland ruhendes Erbe den Washingtoner Prinzipien zu unterwerfen.“

Mit seinem Tod endet auch das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen Gurlitt. Der damals schon kranke Kunstsammler selbst hatte in einem einzigen Interview des „Spiegel“ im November 2013 gesagt: „Die hätten doch warten können mit den Bildern, bis ich tot bin.“ Auf seiner Webseite stand am Dienstag noch eine kurze Erklärung vom 16. Februar. Gurlitt schrieb: „Ich habe nur mit meinen Bildern leben wollen, in Frieden und in Ruhe.“