Ein Video zeigt die Betroffenheit in Missoula/Montana, wo der 17-jährige Hamburger starb. Der Schütze feuerte viermal auf Diren D.

Missoula/Hamburg. Weil er in die Garage eines fremden Hauses gegangen war, ist ein 17 Jahre alter Austauschschüler aus Altona im US-Bundesstaat Montana vom Hausbesitzer erschossen worden. Diren D. besuchte seit August 2013 die Big Sky High School in Missoula, der zweitgrößten Stadt des Bundesstaates im Nordwesten der USA. Der Todesschütze, ein 29-Jähriger, wurde laut Berichten örtlicher Medien festgenommen. Der Mann gab an, dass er nach Auslösung der Alarmanlage einen Einbrecher in seiner Garage vermutet hatte. Er hatte nach Behördenangaben vier Schüsse mit einer Schrotflinte auf den Eindringling abgegeben. Der Austauschschüler erlitt schwere Verletzungen und erlag ihnen im Krankenhaus.

Der Fall erinnert an Trayvon Martin, der in Florida erschossen wurde, weil er das Grundstück eines Mannes betreten hatte. Sogar US-Präsident Barack Obama hatte sich in den Fall eingeschaltet.

Diren D. war ein begeisterter Fußballer, er kickte beim SC Teutonia an der Max-Brauer-Allee. In die Vereinigten Staaten kam er durch die US-Austauschorganisation Council on International Educational Exchange (CIEE). Gleich nach seiner Ankunft an der High School schrieb er sich dort für Soccer (Fußball) ein. Regelmäßig nahm er am Training und Turnieren teil, spielte als Stürmer.

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In diesem Frühjahr startete er auch im Laufteam der High School. „Er war ein sehr beliebter Schüler“, sagt eine Sprecherin der Schulbehörde. Zudem sei Diren sehr stolz auf seine türkischen Wurzeln gewesen. „Es ist eine tragische Situation“, sagte der Vorsitzende des Schuldistrikts, Alex Apostle.

Am Sonntagmittag war der 17-Jährige mit Freunden unterwegs. Offenbar habe Diren D. etwas zu trinken gesucht und die offene Garage erblickt. „Seine Gastfamilie hat in der Garage immer Gatorade“, soll Direns Freund den Behörden erklärt haben. Die Gastfamilie des Hamburgers lebt im selben Viertel wie der Schütze.

Anwalt: Schütze wollte nicht töten

Der Verteidiger des Schützen Markus K., Paul Ryan, sagte: „Er hatte nicht einmal die Absicht zu töten. Es ist ohne Frage wirklich tragisch.“ K. werde sich nicht schuldig bekennen, da er in Selbstverteidigung gehandelt habe, sagte der Anwalt einem Bericht der Lokalzeitung „Ravalli Republic“ zufolge.

Ryan erklärte, in das Haus seines Mandanten sei in den vergangenen Wochen zwei Mal eingebrochen worden. Daraufhin habe K. einen Bewegungsmelder an der Garage installiert. Außerdem habe er eine Handtasche als Köder ausgelegt. Als in der Nacht zum Sonntag ein Alarm ausgelöst worden sei, habe der 29-Jährige in die dunkle Garage geschossen.

„Ich warte nur darauf, einen verdammten Typen zu erschießen“, soll der Angeklagte einer Zeugin zufolge gesagt haben. Drei Nächte in Folge habe er bereits mit seinem Gewehr gewartet, um die Einbrecher zur Strecke zu bringen. Er hatte vier Schüsse in die dunkle Garage abgefeuert, nachdem sein Alarmsystem ihn auf einen Eindringling aufmerksam machte. Die Partnerin des Schützen sagte aus, ihr Mann habe den Jugendlichen mit „Hey“ angesprochen, und dieser habe geantwortet, bevor die Schüsse fielen. Der Schütze gab an, er habe hoch gezielt, da er sein Auto nicht treffen wollte, doch laut Anklage zeigen Einschusslöcher ein anderes Bild. Zwei der Schüsse trafen den Jugendlichen an Kopf und Arm.

Der 29-Jährige ist wegen vorsätzlicher Tötung angeklagt worden. Ihm drohen bei einer Verurteilung mindestens zehn Jahre Haft und als Höchststrafe ein Leben hinter Gittern.

Möglicherweise bleiben die Todesschüsse dennoch straffrei. Die sogenannte Castle-Doktrin erlaubt Hausbesitzern in Montana die Anwendung von Gewalt, wenn sie sich durch einen Eindringling auf ihrem Grundstück bedroht sehen. Im Jahr 2012 war in dem Bundesstaat ein Mann erschossen worden, als er den Liebhaber seiner Frau in dessen Garage zur Rede stellen wollen. Der Nebenbuhler kam straflos davon, obwohl das Opfer unbewaffnet war.

K., der bei der Forstfeuerwehr arbeitet, und seine Lebensgefährtin hätten den Teenager nicht gekannt, sagte Ryan. Das Paar habe noch versucht, den Jungen wiederzubeleben. „Sie haben alles getan, was sie konnten, um ihm zu helfen.“

Betroffenheit beim SC Teutonia

Sein Fußballverein, der SC Teutonia 1910 in Altona, reagierte betroffen auf den Tod seines Spielers. „Wir sind alle ein bisschen sprachlos“, sagte Fußball-Abteilungsleiter Kadir Koc. Sein Trainer beim SC Teutonia, Garip Ercin, beschrieb den Jungen als “Supertyp“: „Er war ein Mensch, den jeder Vater sich wünschen würde. Er war nicht aggressiv, er war beliebt.“

In anderthalb Monaten hätte der 17-Jährige nach Deutschland zurückkehren sollen. „Er hätte noch 43 Tage gehabt“, sagte Ercin. Die Mannschaft habe schon darauf gesetzt, dass er in der kommenden Saison wieder mitspielt. Er habe den Schüler – einen begeisterten Fußballer – seit neun oder zehn Jahren trainiert, sagte Ercin: „Er stand zu seinem Verein, er war ein talentierter Spieler.“ Die Eltern des 17-Jährigen hätten ihn am Sonntagnachmittag über seinen gewaltsamen Tod informiert, berichtete Ercin. Kurze Zeit später sei die ganze Mannschaft zur Familie des Schülers gegangen: „Eine Stunde später waren alle da.“

Der Verein rief außerdem dazu auf, für die Eltern zu spenden. „Wir wünschen den Eltern und Angehörigen alle Kraft und Unterstützung in diesen schweren Zeiten.“ An diesem Mittwoch gibt es ein Benefizspiel.

Die Familie des Jugendlichen wurde mit Hilfe des Deutschen Generalkonsulats in San Francisco kontaktiert. Am Dienstag soll eine Vertreterin des Konsulats in den US-Staat Montana reisen, um die Gastfamilie und die Angehörigen zu unterstützen. „Das ist in dem Fall wohl notwendig“, sagte ein Sprecher, und sprach von besonderen Umständen. Auch der Vater des Jungen werde erwartet, hieß es.

Auch die US-Austauschorganisation Council on International Educational Exchange (CIEE), über die der 17-Jährige in die USA gekommen war, schickte Vertreter nach Montana.

Die Hamburger Schulbehörde hat am Dienstag mit Bestürzung und Entsetzen auf den Tod von Diren D. reagiert. „Die Stimmung ist sehr gedrückt“, sagte Sprecher Thomas Bressau, „es ist sehr traurig hier. Man kann jetzt erstmal nur an die Familie denken.“

Der Schüler sei sportbegeistert, freundlich und gut vernetzt gewesen, berichtete Bressau. „Man hört nichts Negatives, im Gegenteil.“ Das habe ihm der Schulleiter, der derzeit im Urlaub sei, erzählt. Wenn die Schule an diesem Montag wieder beginne, werden Mitarbeiter der Beratungsstelle Gewaltprävention ihre Hilfe anbieten.

Weil derzeit Ferien sind, hätten viele Schüler möglicherweise noch nichts von den tödlichen Schüssen auf den 17-Jährigen mitbekommen.