Auch nach dem Urteil spaltet der Fall die USA. Ein schwarzer Teenager wird erschossen, viele glauben an Rassismus als Motiv. Jetzt ist der Todesschütze ein freier Mann – und es regt sich der Protest.

Sanford. Schock, Verwunderung, Erleichterung: Am Freispruch des Todesschützen von Trayvon Martin scheiden sich die Geister. Der Angeklagte George Zimmerman, der den 17 Jahre alten schwarzen Teenager Martin erschoss und damit monatelang in den USA und international für Schlagzeilen sorgte, verließ den Gerichtssaal nach einem dreiwöchigen Prozess als freier Mann. „Nicht schuldig“, befand eine Geschworenen-Jury in der Nacht zum Sonntag in Florida nach gut 16 Stunden langen Beratungen.

Es war einer der aufsehenerregendsten Prozesse in den USA seit langem. Hatte die zuständige Richterin den Anklägern zuvor auch einen direkten Rassismus-Vorwurf im Prozess untersagt, ihn sozusagen aus dem Gerichtssaal verbannt, so stand er indirekt doch im Mittelpunkt des Verfahrens.

Ein bewaffnetes Mitglied einer Bürgerwehr, ein Hispano-Amerikaner, geht auf Patrouille, sieht einen schwarzen Jugendlichen mit einer Kapuze über dem Kopf. Wenig später ist der Teenager tot. Der Schütze behauptet, aus Notwehr geschossen zu haben. Die Anklage argumentiert, der Mann habe den Jungen verfolgt und dann getötet. Für die einen wird Trayvon Martin sofort zu einem Opfer von Selbstjustiz aufgrund rassistischer Vorurteile – zu einem Symbol dafür, dass Rassismus in den USA immer noch nicht ausgerottet ist. Für die anderen ist Zimmerman das Opfer – ein Mann, der nichts anderes tat als sich zu verteidigen und dafür gebrandmarkt wird, weil der Tote schwarz ist, sozusagen Rassismus umgekehrt.

Demonstranten fordern „Gerechtigkeit für Trayvon“

Dem Angeklagten selbst war keine Regung anzusehen, als das Urteil verlesen wurde. Aber außerhalb des Gerichtsgebäudes in Sanford erregten sich die Gemüter. Kritiker sprachen von einem krassen Fehlurteil, von San Francisco an der Westküste über Chicago bis hin zu New York im Osten gingen Hunderte Menschen auf die Straße und machten ihrer Empörung Luft. „Gerechtigkeit für Trayvon“, hieß es auf Plakaten.

Auch in den sozialen Medien war der Freispruch in den USA am Sonntag ein Topthema – die meisten Stimmen waren kritisch. „Ich schäme mich für unser Land“, twitterte eine Amerikanerin. „Ich habe das Vertrauen in unser Justizsystem verloren“, schrieb eine andere. Aber es gab auch andere Meinungen. „Nur weil vielen das Urteil nicht gefällt, heißt das nicht, dass es unfair ist“, hieß es in einem Tweet.

Im US-Fernsehen gaben sich derweil Rechtsexperten sozusagen die Klinke in die Hand, analysierten das Urteil bis ins Kleinste. Dabei zeigten sich viele von ihnen von dem Freispruch weitaus weniger überrascht als anscheinend der Großteil der Bevölkerung. Die Ankläger hätten es schlicht nicht geschafft, jenseits „jeden vernünftigen Zweifels“ nachzuweisen, dass Zimmerman keinen Grund hatte, sich durch Trayvon bedroht zu fühlen. Von einem Fehlurteil zu sprechen, sei somit nicht gerechtfertigt, sagte etwa CNN-Experte Paul Callan.

Die afroamerikanische Organisation NAACP sieht das ganz anders. „Wir sind empört und untröstlich über das heutige Urteil“, hieß es sofort nach der Gerichtsentscheidung. Und die NAACP will es dabei nicht bewenden lassen: Sie will erreichen, dass es Zimmerman doch noch an den Kragen geht, ihm noch einmal der Prozess gemacht wird – diesmal wegen Verletzung von Trayvons Bürgerrechten.

Schüttelte Zimmermnn seinen Verteidigern nach dem Freispruch ausdruckslos die Hand, so stand denen bei einer anschließenden Pressekonferenz die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. „Ich bin sehr, sehr glücklich über dieses Ergebnis“, sagte Verteidiger Mark O'Mara. Der Freispruch sei für ihn ein großartiger Moment gewesen. Seinem Mandanten werde dagegen erst im Beisein seiner Familie langsam klar werden, welche Last nun von ihm abfalle. „Ich bin begeistert, dass die Geschworenen verhindert haben, dass sich diese Tragödie in eine Travestie verwandelt“, sagte Verteidiger Don West.

Eltern von Trayvon Martin zeigen Größe

Die Eltern des Getöteten zeigten bei aller Enttäuschung Größe. „Ich werde dich für immer lieben, Trayvon“, schrieb Mutter Sybrina Fulton nach der Urteilsverkündung auf Twitter. „Vielen Dank an alle, die mit uns sind und die mit uns dafür sorgen, das so etwas nie wieder geschieht“, twitterte Vater Tracy Martin.

„Sie haben nichts weiter zu tun mit dem Gericht“, verabschiedete Richterin Deborah Nelson Zimmerman. Die Kaution, gegen die der Angeklagte bis zum Prozess freigekommen war, wurde aufgehoben, das GPS-Gerät, das ihn bis Sonnabendabend überwachte, abgeschaltet.

Zimmermann fürchtet Attentat

Aber mag Zimmermann auch recht bekommen haben, heißt dies noch lange nicht, dass er auch in Ruhe schlafen kann. Einem Bericht der „New York Times“ zufolge hatte er außerhalb des Gerichtssaals eine kugelsichere Weste getragen – aus Furcht vor einem Attentat auf ihn. Sein Bruder Robert sagte dem Fernsehsender CNN: „Mehr als jemals zuvor hat er jetzt Grund zu glauben, dass Menschen ihn umbringen wollen, wenn sie es könnten.“