Ein Flaschensammler entdeckt eine Frauenleiche im Gebüsch. Es ist eine 20-jährige Austauschstudentin, erwürgt mit ihrem eigenen Schal. Der Prozess beginnt unter großem Medienandrang.

Mannheim. Sie wohnte erst seit wenigen Monaten in Deutschland, war zum Studieren nach Mannheim gekommen. Im vergangenen Oktober wird die Austauschstudentin aus Litauen auf dem Nachhauseweg von einem Uni-Filmabend ermordet. Die 20-Jährige ist allein zu Fuß unterwegs, als ein Mann sie überfällt, sie mit ihrem eigenen Schal bis zur Bewusstlosigkeit würgt und sich dann an ihr vergeht. Schließlich raubt er die Psychologiestudentin aus und lässt sie in einem Gebüsch liegen. So die Version der Staatsanwaltschaft.

Seit Dienstag muss sich ein 41-Jähriger vor dem Mannheimer Landgericht für das Verbrechen verantworten. Am ersten Prozesstag ist der Andrang von Medien und Zuschauern groß.

Der Bauarbeiter mit dem blauen Arbeitsanzug und dem Schnauzbart, der zuletzt im pfälzischen Grünstadt wohnte, schweigt zu den Vorwürfen. Als der Staatsanwalt die Anklageschrift verliest, ist der Blick des Angeklagten meist nach unten gerichtet. Er soll nicht nur die Austauschstudentin ermordet, sondern in der Pfalz auch noch eine weitere Frau und zwei Jugendliche ausgeraubt und zum Teil schwer verletzt haben. Im Gegensatz zu der 20-Jährigen konnten diese sich wehren und die Flucht ergreifen.

Die Staatsanwaltschaft will überprüfen lassen, ob für den Angeklagten bei einer Verurteilung die Sicherungsverwahrung angeordnet werden muss. Diese soll die Allgemeinheit vor Tätern schützen, die ihre Strafe bereits verbüßt haben, aber weiterhin als gefährlich gelten. Die Beweislast ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft deutlich: In der Wohnung des mutmaßlichen Mörders im benachbarten Grünstadt entdeckten die Ermittler das Telefon des Opfers – ebenso wie ein Bahnticket von Mannheim ins nahe gelegene Grünstadt vom Tatabend.

Uni reagierte mit Selbstverteidigungskursen für Frauen

Das Verbrechen vor mehr als einem halben Jahr hat vor allem die Studentinnen in Mannheim schockiert und verunsichert. Die Uni reagierte und bot mehr Selbstverteidigungskurse für Frauen an. „Es ist auf jeden Fall ein großes Thema auf dem Campus“, sagt Julien Ferrat vom Studierendenparlament. Er ist am ersten Verhandlungstag ins Mannheimer Landgericht gekommen und sagt: „Ich wollte mir selbst ein Bild von der Sache machen.“ Mit dem Prozess kämen die Erinnerungen an die Tat bei ihm und vielen anderen Studenten wieder hoch. Einige Tage nach dem Mord waren Hunderte in einem Lichtermarsch zum Tatort gezogen.

In einem Gebüsch hatte ein Flaschensammler die Leiche der jungen Frau entdeckt, als er sich nach einer Pfanddose bückte. „Ich hab' nicht gewusst, was ich machen sollte“, sagt der Mann im Zeugenstand. Er habe zunächst gerufen, um zu testen, ob die Frau noch lebe. Als kein Lebenszeichen kam, habe er sich große Sorgen gemacht. „Ich war fertig, als ich das gesehen hab'.“ Eine Freundin von ihm sei schließlich dazugekommen und habe die Polizei alarmiert.

Die Begegnung zwischen Täter und Opfer war der Polizei zufolge absolut zufällig. Die Ermittler sprachen kurz nach der Tat von einer „Verkettung unglücklichster Umstände“. Sie kamen dem Angeklagten nach 16 Tagen auf die Spur. Der Druck für die Ermittlungsgruppe „Cäsar“ war groß: Es sollte unbedingt verhindert werden, dass der Täter erneut nach demselben Muster zuschlägt. Student Ferrat sagt: „Als der Mann gefasst war, gab es eine große Erleichterung auf dem Campus.“