Mehr als sieben Stunden berieten die Richter in Florenz über den Mordfall Meredith Kercher. Am Abend wollten sie das vierte Urteil für die Angeklagten Amanda Knox und Raffaele Sollecito verkünden. Wie ihre Entscheidung aussehen könnte, schien bis zuletzt völlig offen.

Florenz Das Berufungsgericht in Florenz hat am Donnerstag mehrere Stunden lang über das neue Urteil gegen die Amerikanerin Amanda Knox und ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito beraten. Die Richter wollten ihre Entscheidung am Abend verkünden. Während die 26 Jahre alte Knox nicht anwesend war und den Prozess mit ihrer Mutter in ihrer Heimatstadt Seattle verfolgte, nahm Sollecito (29) an der Verhandlung teil. „Es gibt Personen, die Richter, die über das Leben von Raffaele entscheiden müssen. Es nützt nichts, vor diesem Termin zu flüchten“, sagte sein Vater Francesco, der ihn begleitete.

Eine knappe Stunde hatte zuvor die Anhörung am Morgen gedauert, in der Knox' Verteidiger das letzte Wort hatten. „Wir sind heute felsenfest von Amandas Unschuld überzeugt und das erlaubt es uns, der Anklage mit Gelassenheit zu begegnen“, sagte Anwalt Carlo Dalla Vedova. Es sei nicht möglich, jemanden zu verurteilen, weil er „möglicherweise schuldig“ sei. Verteidiger Luciano Ghirga forderte, Knox müsse aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden. Sie sei angesichts der nahenden Entscheidung „sehr aufgewühlt“.

Es ist bereits der dritte Prozess gegen Knox und den Italiener Sollecito. Seit September müssen sie sich erneut für den Mord an der Britin Meredith Kercher verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, die damals 21 Jahre alte Studentin im November 2007 in Perugia brutal ermordet zu haben. Kerchers Leiche war halbnackt und mit etlichen Messerstichen in ihrem WG-Zimmer gefunden worden. Knox und Sollecito wurden 2009 in erster Instanz in einem Indizienprozess verurteilt und 2011 freigesprochen. Knox kehrte in die USA zurück.

Für die Tat verurteilt wurde bislang nur der Ivorer Rudy Guede, der wegen Beihilfe zum Mord 16 Jahre Haft bekam. Bei seinem Schuldspruch betonten die Richter jedoch ausdrücklich, er könne nicht alleine gehandelt haben. Kerchers damalige Mitbewohnerin Knox sowie Sollecito waren von Beginn an die Hauptverdächtigen in dem Fall.

Beide bestreiten ihre Schuld, während der Staatsanwalt Haftstrafen von 26 Jahren für Sollecito und 30 Jahren für Knox gefordert hat. Seiner Meinung nach ermordeten Knox und Sollecito die Studentin wegen eines eskalierten Streits um die Sauberkeit im Haus. Beide hätten unter Drogen und Alkoholeinfluss gestanden, argumentierte er.

Bei einer Verurteilung droht Sollecito eine erneute Haft, während die US-Bürgerin Knox zunächst ausgeliefert werden müsste. Experten zufolge wird Italien dies aber voraussichtlich erst beantragen, wenn das Urteil rechtskräfgtig ist. In dem wahrscheinlichen Fall, dass eine der beiden Seiten Berufung einlegt, muss dafür das höchste italienische Gericht ein weiteres Mal in dem Fall entscheiden.

Zur Verlesung des Urteils wurden auch zwei der Geschwister des Opfers im Gerichtssaal erwartet. „Wir wollen, dass der Prozess und das Geschwätz heute enden, damit wir uns nur auf unseren Schmerz und die Erinnerung an Meredith konzentrieren können“, sagte die Schwester Stephanie Kercher dem „Corriere della Sera“.