Im Internet waren Funkverkehr und Route des entführten äthiopischen Flugzeugs zu verfolgen. Kampfjets eskortierten die Maschine nach Genf. Entführer seilte sich ab.

Genf. Es waren dramatische Stunden an Bord von ET 702 und im gesamten europäischen Luftraum sowie am Flughafen Genf. Doch viele Passagiere in der Boeing 767 der Ethiopian Airlines haben die Entführung der Maschine offenbar nicht richtig bemerkt. Denn der Co-Pilot hat seine eigene Passagiermaschine mit 202 Menschen in die Schweiz entführt. Eskortiert von Luftwaffen-Kampfjets, landete der Jet gegen 6 Uhr auf dem Flughafen von Genf, wo der Entführer sich widerstandslos festnehmen ließ. Der 31-jährige Äthiopier gab an, er sei in seiner Heimat gefährdet und wolle in der Schweiz einen Asylantrag stellen.

Der Entführer nutzte eine kurze Abwesenheit seines Chefpiloten, wie der Genfer Polizeisprecher Eric Grandjean erklärte. „Als der Captain zur Toilette ging, hat er sich im Cockpit eingeschlossen.“ Zum dem Zeitpunkt befand sich die Maschine, die kurz nach Mitternacht (Ortszeit) in Addis Abeba gestartet war, noch mit Kurs auf Rom über Italien.

Nachdem die äthiopische Maschine den Kurs gewechselt hatte, ließ die italienische Luftwaffe nach eigenen Angaben zwei Eurofighter-Kampfjets aufsteigen. Über den Alpen hätten dann französische Kampfjets die Begleitung des Passagierflugzeugs nach Genf übernommen, hieß es in einer Mitteilung.

Der dortige Flughafen wurde umgehend gesperrt. Zahlreiche Flüge von und nach Genf mussten gestrichen werden. Kurz nach der Landung seilte sich der Kopilot aus dem Cockpitfenster ab und stellte sich einem Großaufgebot von Polizisten. Er müsse nun mit einer Anklage wegen Entführung und Gefährdung der Luftfahrtsicherheit rechnen, erklärte die Genfer Staatsanwaltschaft. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Äthiopier in der Schweiz bis zu 20 Jahre Haft.

Ob der Mann tatsächlich in seiner Heimat Repressalien ausgesetzt war, blieb zunächst unklar. Nach Angaben der Organisation Human Rights Watch (HRW) hat sich die Menschenrechtslage in Äthiopien verschlechtert. Regimegegner seien willkürlichen Verhaftungen und Folter ausgesetzt, hieß es im Oktober 2013 in einem HRW-Bericht.

Manche Passagiere verschliefen die Entführung

Einige Passagiere hätten von der Entführung nichts mitbekommen, hieß es. Die Polizei eskortierte die Passagiere nach der Landung einzeln zu wartenden Fahrzeugen. Sie mussten ihre Hände über ihren Köpfen halten. Der Flughafen war rund zwei Stunden geschlossen.

Die Ethiopian Airlines gehört der Regierung des Landes. Dem Staat wird vorgeworfen, Rechte nicht zu achten und intolerant gegenüber abweichenden politischen Meinungen zu sein.

Schon häufiger Maschinen aus Äthiopien entführt

Es gab schon einige Entführungen durch Äthiopier, die den Unruhen im Land entkommen wollten. So schmuggelte beispielsweise 1993 ein Mann eine Pistole an Bord und entführte einen Lufthansa-Flug von Frankfurt nach Addis Abeba. Er forderte einen Flug in die USA, wo ihm ein Visum verweigert worden war.

Noch während das entführte Flugzeug über Genf kreiste, tauschten Internetnutzer bereits in Echtzeit Informationen über die Ereignisse aus. Mehrere Luftfahrt-Enthusiasten waren am frühen Montagmorgen auf die Maschine aufmerksam geworden.

Live: Twitter-Nutzer verbreiteten den Funkverkehr

Im Online-Netzwerk Twitter zitierte Luftfahrt-Kenner John Walton (@thatjohn) aus dem Funkverkehr mit dem Entführer: „Wollen Sie eine Antwort zur Asylfrage haben, bevor Sie den Landeanflug beginnen?“ Über Webseiten wie LiveATC.net konnte man auch an diesem Morgen den Funkverkehr verfolgen. Die Kommunikation mit dem Tower sei professionell verlaufen, bemerkte Walton.

Über die Webseite FlightRadar24.com konnten auch Laien die Flugroute verfolgen. Mehrere Twitternutzer luden Bilder von der Seite hoch. Darauf sind die Schleifen zu sehen, die Flug ET 720 über Genf dreht.

Später wurden auch Nutzer der Diskussionsseite Reddit aufmerksam: „Mögliche Flugzeugentführung im Gange“, schrieb ein Nutzer in den frühen Morgenstunden. Sofort sprangen ihm andere bei, trugen Informationen aus dem Funkverkehr und zu dem Flugzeugtyp zusammen.

Einige Nutzer betonten, die Informationen seien nicht bestätigt. Nach den Anschlägen auf den Bostoner Marathon hatte es heftige Kritik an Internetnutzern und Journalisten gegeben, die Details aus dem Polizeifunk weitergeben hatten. Manches stellte sich später als falsch heraus