Brasilien will sich vor der WM und den Olympischen Spielen dem Ausland als sicheres Gastgeberland präsentieren. Aber kriminelle Jugendbanden rauben in Rio wieder Strandbesucher aus. Die Polizei kündigt strengere Kontrolle an.

Rio de Janeiro. Rio de Janeiro befürchtet vor der Fußball-Weltmeisterschaft die Wiederkehr eines Problems: In den vergangenen zwei Wochen stürmten zwei Mal Massen von Jugendlichen den Strand der Metropole, stahlen Taschen, Handys und Schmuck und lösten Panik unter den Besuchern aus.

Solche Überfälle kamen früher häufig vor, wurden jedoch mit zunehmender Polizeipräsenz immer seltener und blieben schließlich in den vergangenen Jahren ganz aus. Doch nun sind die „Arrastoes“, wie sie auf Portugiesisch genannt werden, zurück. Die Überfälle am 15. und 20. November ließen bei Behörden und Bewohnern die Alarmglocken schrillen.

Im Zuge einer groß angelegten Kampagne vor der Fußball-WM im Sommer und den Olympischen Spielen 2016 übernahm die Polizei in Rio bisher die Kontrolle über mehr als 200 Elendsviertel, Favelas genannt, in denen zuvor Drogenbanden herrschten. „In Rio spielt sich ein Machtkampf ab“, schrieb der Kolumnist der Zeitung „O Globo“, Merval Pereira. „Seit dem Befriedungsprogramm der Polizei haben die Kriminellen große Teile des Territoriums verloren, in dem sie agiert haben, und sie wollen sich zurückholen, was ihnen gehörte.“

Die Polizei bezeichnete die Ereignisse zunächst als Massenpaniken, die von gewaltsamen Auseinandersetzungen ausgegangen seien. Später räumten die Behörden jedoch ein, dass es sich um groß angelegte Überfälle gehandelt habe. Die Polizeiführung kündigte an, die Strandpatrouillen am Wochenende zu verstärken und mobile Wachen einzurichten, damit Opfer Straftaten leichter melden könnten.

Die örtlichen Zeitungen berichteten, dass nach dem letzten Zwischenfall am Strand von Arpoador 15 Verdächtige festgenommen worden seien. Die meisten seien noch minderjährig. An dem Strand hatten große Gruppen von Jugendlichen die Sonnenbadenden ausgeraubt und wurden dann von Polizisten verfolgt. Der Fernsehsender Globo zeigte Bilder von Beamten, die Jugendliche verfolgten. Andere Polizisten wurden mit Steinen beworfen, als sie die Personalien von Verdächtigen aufnehmen wollten.

„Die Polizisten rannten überall herum und ich wusste gar nicht, wo ich mich in Sicherheit bringen sollte“, sagt die 24-jährige Luana Santos, die am Strand Mineralwasser verkauft. „Ich war in Panik und hatte große Angst. Ich hoffe, dass das nun nicht ständig passiert.“ Der zuständige Minister im Staat Rio de Janeiro, José Beltrame, sagte dem Radiosender CBN, es habe sich um die ersten derartigen Raubüberfälle in der Metropole seit sieben Jahren gehandelt.

Zwei der am Mittwoch festgenommenen Verdächtigen seien noch minderjährig. Ezequiel Sliva de Andrade, Kellner in einer Bar an der Promenade von Arpoador, hat wenig Hoffnung, dass die Polizei die Verbrechen stoppen kann. „Sobald die Sonne aufgeht, gibt es zahllose Überfälle“, sagt er. Das Problem habe sich in den vergangenen drei Monaten verschärft. „Diesen Jungs ist es egal, ob da Polizisten sind oder nicht. Sie rennen einfach weg und weil es so viele sind, die in alle Richtungen laufen, werden sie nur selten erwischt.“

Andrade kann eine ganze Reihe von Überfällen und anderen Angriffen auf Strandbesucher und Bewohner des Stadtteils aufzählen, die er in den vergangenen Wochen beobachtete. Die Kriminalität schrecke schon Gäste ab. „Wir haben früher mehr als 900 Kokoswasser pro Tag verkauft“, sagt er. „Heute verkaufen wir kaum noch 200.“

Zur Fußball-WM im kommenden Jahr werden rund 500.000 ausländische Gäste in Brasilien erwartet. Die Regierung fürchtet, dass Berichte über Kriminalität finanzkräftige Besucher verschrecken könnte. Dem Belgier Giovanni Fiorentino, Gastwirt im Ruhestand, könnte das nicht passieren. Er erlebte den Überfall am Strand von Arpoador mit, blieb aber gelassen.

„Man hatte mich gewarnt, keine Wertsachen mit an den Strand zu nehmen und als ich sie alle herumlaufen sah, bin ich ruhig geblieben, denn ich hatte ja nichts, was sie wollten“, erklärt er. „Es sind mehr als ein paar klauende Kids nötig, um meine Ferien zu ruinieren.“