Eine rüstige Oma geht auf Diebestour, ein Rentner verkauft Drogen. So etwas könnte in Zukunft öfter vorkommen. Denn die Deutschen werden immer älter – und die Polizei steht vor neuen Herausforderungen.

Berlin. Drei betagte Räuber überfallen in Westfalen und Niedersachsen jahrelang Banken und erbeuten über eine Million Euro. Zwar ist die „Opa-Bande“ längst gefasst, doch solche Taten könnten sich in Zukunft häufen. „Aufgrund einer älter werdenden Gesellschaft werden wir auch vermehrt ältere Straftäter haben“, sagt Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei.

Wenn sie kriminell werden, geraten Senioren vor allem wegen Nötigung, Ladendiebstahl und Beleidigung in den Fokus der Ermittler – wie eine 96-Jährige, die in Sachsen in einem Supermarkt wiederholt auf Diebestour ging. Knappe Renten und Armut im Alter lassen ältere Menschen unter anderem zu Langfingern werden – auch weil sie länger fit sind.

Die Entwicklung macht den Experten Sorgen, wie auf einer Fachtagung am Mittwoch in Berlin deutlich wird. Allerdings steige die Zahl älterer Straftäter lange nicht so stark wie der Anteil der Senioren in der Gesellschaft. 2012 registrierte das Bundeskriminalamt 152.000 Tatverdächtige über 60 Jahre – von insgesamt knapp 2,1 Millionen Verdächtigen. Die Zahl der Tatverdächtigen über 60 Jahre hat seit 2002 um etwa acht Prozent zugenommen. Gleichzeitig wuchs der Anteil der über 60-Jährigen an der Bevölkerung um gut 15 Prozent.

Hartmut Pfeiffer, Leiter der kriminologischen Forschungsstelle beim Landeskriminalamt in Niedersachsen, relativiert die Befürchtungen. Alte würden im Vergleich beispielsweise zu Jugendlichen seltener kriminell. „Sie rutschen nicht so leicht in Situationen hinein, sind überlegter und erfahrener.“ Ob die Zahl der kriminellen Senioren in Zukunft ansteigt, hänge auch von gesellschaftlichen Entwicklungen wie Verarmung oder Altersdiskriminierung ab, sagt Pfeiffer.

Spezielle Fortbildungen für Polizisten

Die Gewerkschaft der Polizei fordert nun spezielle Fortbildungen für Polizisten. Denn wer wisse schon, wie man zum Beispiel mit einem demenzkranken Mann umgehe, der noch die Kraft hatte, seinen Zimmernachbarn zu töten, fragt Bundesvorsitzender Malchow. Zudem gebe es zwar Jugendrichter für junge Täter, aber keine Altersrichter.

„Man hat oft das Bild von der guten Oma im Kopf“, sagt Sascha Braun, Justiziar der Gewerkschaft. Kriminalbeamte müssten einen neutralen Umgang mit älteren Menschen lernen, beispielsweise für Zeugenaussagen. Denn in einer älteren Gesellschaft wird es nach Expertenmeinung auch mehr Opfer im Seniorenalter geben.

So könnten die Fälle von häuslicher Gewalt steigen, sagt Thomas Görgen, Professor an der Deutschen Hochschule der Polizei. Oft seien pflegende Angehörige überfordert, Aggressionen bis zu körperlichen Misshandlungen können die Folge sein. Bundesweit wurden laut Kriminalstatistik im vergangenen Jahr knapp 55.000 Menschen ab 60 Jahren Opfer von Straftaten wie Trickbetrug oder Diebstahl. Das waren im Vergleich zu 2011 knapp 2000 Opfer mehr.

Vielleicht ist das Seniorengefängnis in Singen in Baden-Württemberg bald nicht mehr das einzige seiner Art. In die Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Konstanz kommen nur verurteilte Straftäter ab 62 Jahren mit mehr als 15 Monaten Freiheitsstrafe. 50 Senioren sitzen nach Angaben von Dienstleiter Thomas Maus hier, vor allem Betrüger, sowie Gewalt- und Sexualstraftäter. Der derzeit älteste Insasse ist 80 Jahre.

Der gesamte Vollzug sei auf die Senioren ausgerichtet, vom altersgerechten Tagesablauf bis hin zu Ergotherapie. „Wir sind eigentlich immer voll“, sagt Maus.