In der Öffentlichkeit gilt er als „Kapitän Feigling“. Seine Erklärung, er sei in ein Rettungsboot gerutscht, empört weltweit. Nun will der „Costa“-Unglückskapitän Francesco Schettino vor Gericht das Bild von sich korrigieren.

Grosseto. „Comandante, comandante“ – selbst in der Rolle des Angeklagten wird Francesco Schettino weiter respektvoll als Kapitän gegrüßt. Während sich der entlassene Unglückskapitän der havarierten „Costa Concordia“ in einer Prozesspause an der Bar ein Croissant mit Creme-Füllung gönnt, schüttelt er die Hände mehrerer Beobachter. Der 52-Jährige tritt am Mittwoch zum endgültigen Start seines Verfahrens im toskanischen Grosseto gelassen und selbstbewusst auf.

Dabei ist die Liste der Vorwürfe gegen Schettino lang: Wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung und Körperverletzung, Havarie und Verlassen des Schiffes muss sich der Italiener mit den dunklen Locken vor Gericht verantworten. Ihm drohen mehrere Jahre Haft. Aus Sicht der Anklage steuerte er das Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ im Januar 2012 aus Leichtsinn zu nahe an die Insel Giglio heran – 32 Menschen starben bei dem Unglück, darunter zwölf Deutsche.

Beim Prozessbeginn vor einer Woche war Schettino noch mit einem verbeulten Alfa Romeo 156 bis zur Rückseite des Theaters, das nun als Gerichtssaal funktioniert, gefahren. Nun bahnt er sich zu Fuß den Weg an einem guten Dutzend TV-Kameras vorbei und nimmt kommentarlos den Eingang für die Presse. Seinen blauen Blazer hat er dieses Mal gegen einen schicken dunklen Anzug getauscht, statt mit einem weit geöffneten Hemd präsentiert sich Schettino seriös mit Krawatte.

Die Verantwortung des Kapitäns für die Katastrophe ist umstritten: Während ihn die Öffentlichkeit schnell als „Kapitän Feigling“ darstellte und die Anklage in dem Süditaliener den Hauptschuldigen für das nächtliche Drama sieht, sehen seine Verteidiger und auch einige Opfer-Anwälte das durchaus anders. „In der Öffentlichkeit wird Schettino als der einzige Schuldige gesehen, es gibt allerdings viele Dinge, die ermittelt werden müssen“, sagt sein Anwalt Domenico Pepe.

Das Theater im Herzen der toskanischen Kleinstadt Grosseto ist für ein großes, voraussichtlich Monate dauerndes Gerichtsdrama vorbereitet. Zu Weihnachten führt das Moskauer Ballett hier ein Märchen auf, nun sitzen auf der Bühne drei Richter an einem langen, mit roten Tuch bespannten Tisch. Auf einer Leinwand dahinter mahnt ein Banner: „La Legge è uguale per tutti“ („Das Gesetz ist für alle gleich“). Die Zuschauer sitzen in weichen roten Sesseln, an der Decke sind Scheinwerfer angebracht.

Vor der Bühne bespricht sich Schettino vor Prozessbeginn unter dem Klicken der Kameras mit seinen Anwälten, redet eindringlich in sein Mobiltelefon. Als später minutenlang Namen vorgelesen und ermüdende Verfahrensfragen geklärt werden, tippt er gelangweilt auf einem Tablet-Computer herum. Die emotionale Tirade eines Rechtsvertreters der Geschädigten verfolgt Schettino stoisch auf seine Faust gestützt. Obwohl fast alle Augen auf ihn gerichtet sind, gibt sich der Angeklagte selbstbewusst, fast schon wirkt er unbeteiligt.

Ein weiteres beliebtes Motiv der Fotografen vor Beginn des Prozesses ist die vermeintliche frühere Schettino-Geliebte Domnica Cemortan, die den Prozess im blauen Minirock und weißer Bluse aus der neunten Reihe verfolgt. Die 26 Jahre alte, platinblonde Moldauerin soll in der Unglücksnacht bei Schettino auf der Brücke gewesen sein - was die junge Frau jedoch bestreitet. Vor Gericht sucht Cemortan nicht den Blickkontakt des Kapitäns, blättert lieber in Akten. Im Prozess will sie selbst als Nebenklägerin auftreten.