In einer Diskussion mit Ehefrau Gertrud Steinbrück auf dem SPD-Parteikonvent kommen dem Kanzlerkandidaten die Tränen.

Hamburg. „Halt dich fest, es ist was passiert“, hatte Peer Steinbrück zu seiner Frau am Telefon gesagt, nur wenige Minuten bevor sie aus dem Radio erfahren sollte, dass er Kanzlerkandidat der SPD werden wird. „Das ist nicht die übliche Diskussion, die wir miteinander führen“, hat Gertrud Steinbrück in einer launigen, einstündigen Diskussion am Wochenende auf dem SPD-Konvent erzählt, in der man tiefe Einblicke in die Ehe des Politikers bekam. Warum hat Steinbrück seine sympathisch normale, vernünftige, gewinnende und schlagfertige Frau nicht früher zum Einsatz gebracht? Offenbar, weil sie so gar nicht zum Anhängsel taugt.

Denn wie sich bei diesem Gespräch zeigte, ist die Gymnasiallehrerin für die Fächer Biologie und Politik, Dr. Gertrud Steinbrück, eine sehr selbstbewusste, selbstständige Frau, die sich nicht ungefragt in eine folgenschwere Rolle drängen lässt. „Eine Frau muss darauf achten, dass sie ein eigenes Leben hat“, war eine der griffigen, lebensklugen Antworten Gertrud Steinbrücks, die so unterhaltsam und natürlich plauderte, dass Peer Steinbrück, dem man gerne – und fälschlicherweise – einen schneidenden, besserwisserischen Sprachduktus attestiert, daneben leise, still und bewundernd wirkte.

Er sei ein „ganz normaler Mann“, wusste seine Frau, „der in der Küche nicht stört. Und er glaubt, alles zu wissen, kann aber eine Amsel nicht von einem Star unterscheiden.“ Für ihre Schüler sei der SPD-Kanzlerkandidat sowieso „der Mann von Frau Steinbrück“ erzählte die Mutter von drei erwachsenen Kindern. Kinder und Frau fühlten sich von der Entscheidung Steinbrücks, Kanzlerkandidat zu werden, ausgeschlossen. „Aber“, so erklärte seine Frau, „ich werde ihm helfen. Klar. Ich bin preußisch erzogen. Jetzt wird das Ding auch durchgezogen.“ Außerdem müsse sie bewältigen, dass ihr Mann „offenbar in einer Regenbogenehe mit Sigmar Gabriel lebt“.

„Landesmutter“ passt nicht zu Gertrud Steinbrück

Ihr Eheleben sei nicht immer leicht, aber sie würde ihren Mann, so wie ihn die Presse darstellt, als trocken, technokratisch, scharfzüngig, nicht wiedererkennen. „Wenn wir nicht so viel gemeinsam lachen würden, wären wir wohl nicht mehr miteinander verheiratet.“ Er könne gut handwerken, sagte sie, „wenn er ein Vogelhaus baut, ist es atomsicher.“ Er mag „freundlich ausgedrückt, keine Computer, spielt gerne Schach, interessiert sich für Fußball und Filme“. Sein Lieblingsfilm sei „The Deer Hunter“ (auf deutsch „Die durch die Hölle gehen“, diese Anspielung auf seine Performance als Kandidat greifen wir lieber nicht auf), ein Antikriegsfilm, ergänzte Steinbrück.

Ein Begriff wie „Landesmutter“ passt wohl so wenig zu Gertrud Steinbrück wie Pizza aufs Hemd. „Aber die Rolle ist frei“, erklärt sie Bettina Böttinger. „Herr Sauer ist ja auch keine Landesmutter.“ Eine gut funktionierende Ehe – die der Steinbrücks dauert fast 40 Jahre – erkennt man nicht durch ein öffentlich präsentiertes, harmonisches Bild. So etwas, denkt man bei diesem Auftritt, würde die authentische Frau Steinbrück nicht mit sich machen lassen. Eine gut funktionierende Ehe erkennt man beispielsweise daran, wie sehr einer der Partner den anderen beschützt und verteidigt. Wie sehr man zusammenhält. Gertrud Steinbrück mag mit der Entscheidung ihres Mannes, Kanzlerkandidat zu werden, hadern. „Uns ging es gut. Wir hatten Freiheit, wir hatten Freizeit“, erzählt sie. „Ich halte es nicht aus, wenn von ihm immer nur das herausgefiltert wird, das negative Gefühle auslösen soll. Warum? Er gibt doch das nicht alles auf, wenn er nicht etwas bewegen wollte.“

Peer Steinbrück schaut auf seine Frau. Lange. Und Bettina Böttinger fragt ihn: „Wofür kämpfen Sie?“ Er zittert, japst, ringt um Fassung. Seine Frau rührt ihn zu Tränen. Er bekommt keinen Ton heraus. War das nicht gerade eine Liebeserklärung à la, ‚wo du hingehst will auch ich hingehen‘? Mehr Einblick in eine Ehe hat noch kein Politiker zugelassen. Dröge ist Peer Steinbrück jedenfalls nicht.