Der Fabrikeinsturz in Bangladesch hat fast 1000 Menschen das Leben gekostet. Und schon passiert das nächste Unglück – ein Feuer bricht in einem Textilbetrieb aus.

Dhaka. Nur gut zwei Wochen nach dem Fabrikeinsturz in Bangladesch, bei dem fast 1000 Menschen starben, ist wieder ein tödlicher Unfall passiert. Acht Menschen kamen nach Angaben der Feuerwehr ums Leben, als ein Brand in einem Textilbetrieb ausbrach. Unter den Toten ist auch der Besitzer. Glück im Unglück hatten die Arbeiterinnen und Arbeiter, da sie spät am Mittwochabend nicht mehr nähten. Die Reste des am 24. April eingestürzten achtstöckigen Gebäudes Rana Plaza haben die Rettungskräfte mittlerweile fast vollständig abgetragen. Es werden noch weitere Tote unter den Trümmern vermutet, sagte ein Sprecher des Zentrums für Katastrophenmanagement am Donnerstag.

Bangladeschs Behörden ließen derweil 18 gefährdete Fabriken schließen, den Großteil davon in der Hauptstadt Dhaka. Nicht darunter war die Tung Hai Sweater Factory, in der nun das Feuer ausbrach. Die Feuerwehr vermutet, dass ein Kurzschluss für das Unglück verantwortlich sein könnte. Der Besitzer, Freunde von ihm und ein Polizist hatten sich nach Medienberichten in einem der oberen Stockwerke getroffen, als das Feuer im Erdgeschoss ausbrach. Acht von ihnen starben im Treppenhaus an Rauchvergiftung, sechs Menschen wurden verletzt worden.

Keine zwanzig Kilometer davon entfernt arbeiteten sich Soldaten, Feuerwehrleute und Freiwillige durch die restlichen Trümmer des Fabrikgebäudes Rana Plaza. Im Einsatz waren Spürhunde, Kameras, Kräne und Bagger. „Das Rettungsteam wird hoffentlich in zwei bis drei Tagen den ganzen Schutt vom Grundstück geräumt haben“, sagte Majorgeneral Hassan Suhrawardy am Mittwoch. Bislang bargen Rettungskräfte insgesamt 948 Leichen, allein in der Nacht zum Donnerstag fanden die Helfer etwa 100 Tote. Mehr als 2400 Menschen wurden verletzt.

Behörden, Nichtregierungsorganisationen und Textilunternehmen diskutieren intensiv über Sicherheitsstandards. Textilminister Abdul Latif Siddiqui sagte, Produktionsstätten müssten den Betrieb einstellen, wenn sie als riskant eingestuft würden. Druck kommt auch von den Konsumenten: Mehr als 800 000 Menschen haben einen Aufruf der Kampagnenorganisation Avaaz unterzeichnet. Darin wird an westliche Firmen appelliert, endlich verbindliche Feuer- und Sicherheitsregeln zu schaffen, wenn sie ihr Image nicht aufs Spiel setzen wollen.

Auch europäische Firmen hatten in dem achtstöckigen Gebäude produzieren lassen – unter ihnen der deutsche Textildiscounter Kik. Das Unternehmen räumte den Bezug von Kleidung aus dem eingestürzten Fabrikgebäude bis kurz vor der Katastrophe ein. Nach Medienberichten über Funde von Kik-Kleidung in den Trümmern erklärte die Handelskette am Mittwoch, dass ein Importeur des Unternehmens bis Anfang des Jahres dort produziert habe. „Die Textilfunde stammen aus dieser Zeit“, erläuterte das Unternehmen zu einem Bericht des NDR-Magazins „Panorama“. Das hätten Nachforschungen ergeben.

Die Textilindustrie ist der wichtigste Wirtschaftszweig im Niedriglohnland Bangladesch, sie macht 79 Prozent der Exporteinnahmen aus. Auch deswegen will die Regierung nun 200 Fabrikinspektoren einstellen, die die Sicherheit von Gebäuden überprüfen und gefährdete Fabriken umsiedeln sollen.

Der Verband der Textilproduzenten und -exporteure Bangladeschs hat bereits die Sorge geäußert, dass die Auftraggeber aus Europa und den USA angesichts der Unglücke in andere Länder weiterziehen könnten. Erst im November kamen 112 Textilarbeiter bei einem Feuer ums Leben. 64 Menschen starben, als im Jahr 2005 eine Fabrik in Savar einstürzte, 22 Menschen waren es 2006.