Rund neun Millionen Zuschauer wurden Zeuge, wie Markus Lanz bei seinem vierten Auftritt deutlich relaxter wirkte als noch bei seinem Debüt.

Hamburg. Wetten dass..? hat ein Identitätsproblem. Die Show will Zuschauer von Enkel bis Oma ans Wohnzimmersofa fesseln, wie einst zu jenen unschuldigen Fernsehzeiten, als es noch Wählscheibentelefone, Käseigel und drei verschiedene Programme gab. Gleichzeitig muss der ZDF-Spaß mithalten mit Konkurrenzsendungen, in denen Kandidaten im Schlamm duschen und Würmer verspachteln. Eine Zwickmühle. Der mehr als dreistündige Kompromiss fuhr nichtsdestotrotz am Sonnabend den Tagessieg ein: Rund neun Millionen Zuschauer (RTLs Dschungelcamp: knapp acht Millionen) wurden Zeuge, wie Gottschalk-Nachfolger Markus Lanz bei seinem vierten Auftritt zwischen Massageliege, Kuhstall und prall gefüllter Gästecouch umherhüpfte und deutlich relaxter wirkte als noch bei seinem Debüt. Besser machte es die Sendung nicht. Die „Wetten dass..?“-Ausgabe aus Offenburg war in etwa so spannend wie einer Schale Frittenfett beim Kaltwerden zuzusehen.

Aber erst einmal muss man loben. Cindy aus Mahrzahn, die nun als feste Lanz-Assistentin bestätigt wurde (eine Personalie, der ähnlich viel Bedeutung zugemessen wird wie dem Trainerposten der Fußballnationalmannschaft) ist mit Sicherheit eine gute Wahl. Weil die Comedy-Berühmtheit, deren Aussehen immer an eine explodierte Geburtstagstorte erinnert, mit jedem Auftritt den Subtext mitsendet: Ist alles nicht so ernst gemeint hier. Grabbel-Witze mit US-Star Denzel Washington („Der fasst mich hinten an“) sind bei Cindy ganz lustig, bei Lanz immer ein bisschen klemmig. Wenn der Moderator mit Schauspieler Matthias Schweighöfer über dessen frühkindliches FKK-Trauma spricht, freut man sich fast darauf zu hören, wie verschieden die Ploppgeräusche einer mittelvollen Flasche und einer dreiviertelvollen Flasche klingen. Der Musikstudent wird übrigens später Wettkönig.

Weiter gibt es eine Wette, in der eine österreichische Kinderbande euterwarme Milch testet und die jeweilige Kuh herausschmeckt. Damit schafft man es natürlich nicht zum Büroklatsch am nächsten Tag. Aber es ist grundsätzlich eine schöne Sache, dass seit dem tragischen Unfall von Samuel Koch Spielchen gezeigt werden, bei denen die größte Gefahr darin besteht, dass der Kandidat sich ein paar blaue Flecken holt oder Sodbrennen von saurer Milch. Die sogenannte Lanz-Challenge allerdings, die sich dieses Mal aus einer Fitnessübung auf dem Rudergerät und dem Kindergartenspiel „Ich-packe-meinen-Koffer-und-nehme-mit...“ zusammensetzt, dürfte gern ein bisschen spektakulärer sein.

Der schizophrene Charakter von „Wetten dass..?“ zeigt sich immer auch bei der Gästewahl. Alle Finger leckt sich die verantwortliche Redaktion ab, internationale Stars für die Sendung einzufliegen. Aber wenn dann Tom Hanks, Denzel Washington und ihre Hollywoodbrüder auf dem Sofa sitzen, wirken sie so überflüssig wie ein Fön in der Wüste. Frei übersetzt sagen ihre Gesichter, dass sie niemals wieder den Fehler begehen, in Deutschland einen Film zu promoten, wenn sie sich dafür stundelang den Hintern platt sitzen müssen, um nebenbei zu erfahren, was das Christkind der Lokalberühmtheit rechts außen gebracht hat. „Wetten dass..?“ ist eben so weltläufig wie ein Pfadfinderabend am Lagerfeuer. Vielleicht wäre es erleichternd, sich einfach dazu zu bekennen. Wer Horst Lichter im Graufell-Flokati als Wettpaten in den Kuhstall lässt, muss sich nicht wundern, wenn das Niveau auf den Erkenntniswert einer Kochsendung fällt.

Viel wurde in den vergangenen Tagen über die Schleichwerbepraxis bei „Wetten dass..?“ gestritten. Bei diesem Thema zeigt sich Lanz deutlich sensibler als Gummibärchen-Pate Gottschalk. Das Auto des Vertragspartners wird nicht von acht verschiedenen Seiten ins Bild gerückt, als Snack sind auf dem Couchtisch zopfbrave Laugenbrezel aufgereiht, die allerdings keiner anrührt. Dafür fällt Matthias Schweighöfer vor Lachen fast vom Sofa, als ein Bodybuilder das Schmatzgeräusch von Erotiköl Erdbeere aus anderen Massageölen heraushört. Spätestens jetzt guckt man schnell auf die Fernbedienung, ob man nicht versehentlich im australischen Dschungel gelandet ist. Aber nein, das hier ist „Wetten dass..?“, die Premiumsendung der deutschen Fernsehunterhaltung.