Es gebe keine Beweisspuren. Außerdem habe sich das angebliche Opfer in der Bückeburger Kaserne immer wieder in Widersprüche verstrickt.

Bückeburg. Vergewaltigt, gefesselt und geknebelt, in einen Spind gesperrt. Von einem Unbekannten. So hatte eine Soldatin im Rang eines Unteroffiziers, 25, der Jägerkaserne im niedersächsischen Bückeburg die Tat geschildert. Sie soll am 12. August dieses Jahres im Block A der Heeresfliegerwaffenschule geschehen sein. Ein Kamerad konnte sie später befreien.

Der angebliche Missbrauch sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Jetzt die womöglich entscheidende Wende: Die Soldatin hat das Verbrechen möglicherweise frei erfunden und den sexuellen Übergriff nur vorgetäuscht. Auch wenn die abschließende Bewertung des Falls noch aussteht - wie der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft André Lüth in Bückeburg am Donnerstag bestätigte -, soll schon früh der Verdacht bestanden haben, dass die junge Frau nicht die Wahrheit gesagt hat. Dies wurde am Donnerstag auch aus Ermittlerkreisen bekannt, nachdem die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" und auch die "Bild-Zeitung" über die mögliche Wendung des Falls berichtet hatten.

Am Körper der Soldatin waren weder Blutergüsse noch andere Verletzungen festgestellt worden. Auch bei einer Rekonstruktion des angeblichen Tathergangs tauchten Zweifel an den Angaben der 25-Jährigen auf, die sich zudem bei den Vernehmungen in Widersprüche verstrickte. So erklärte sie gegenüber der Polizei, der mutmaßliche Täter habe zwei auffällige Muttermale im Intimbereich. Alle Soldaten der Kaserne wurden darauf noch am selben Abend untersucht - ohne Ergebnis. Ein verdächtiger Zivilangestellter, der damals vorläufig festgenommen worden war, wurde wieder auf freien Fuß gesetzt.

Trotzdem will die Staatsanwaltschaft zumindest vorerst an einer seit Wochen geplanten DNA-Reihenuntersuchung von mehr als 500 Bundeswehrangehörigen festhalten, sagte Sprecher Lüth. Ein möglicher Täter könnte auf diese Weise identifiziert werden, hatte die Behörde im November erklärt. Ermittler hatten DNA-Spuren von einem einzelnen Mann am "Tatort" gefunden, die sie dem mutmaßlichen Vergewaltiger zuordneten. Allerdings würden in dem Fall laufend neue Erkenntnisse gewonnen und auch berücksichtigt, sagte Lüth. Es werde "weiter in alle Richtungen ermittelt". Derzeit werde vom Landeskriminalamt (LKA) ein Mitte November aufgetauchter Brief untersucht, den der angebliche Täter an die Soldatin geschrieben haben soll. Das Ergebnis liegt noch nicht vor. Es wird vermutet, dass die Soldatin ihn selbst verfasst hat. "Wir wissen noch nicht, von wem der Brief stammt, und prüfen die Urheberschaft", sagte Lüth. Offenbar leidet die junge Frau unter einer Persönlichkeitsstörung.

Immer wieder werden Verdachtsfälle sexueller Belästigung in der Bundeswehr gemeldet, in den vergangenen fünf Jahren waren es etwa 400. Im Jahr 2011 wurden 78 Übergriffe oder Belästigungen mit Beteiligung mindestens eines Soldaten registriert. Die Spannbreite geht von Vergewaltigungen über Kindesmissbrauch bis hin zu Verbalattacken. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, hält solche Delikte bei der Truppe aber insgesamt für Einzelfälle. Es gebe keinen Anlass, "von einem größeren Ausmaß an sexueller Belästigung oder sexuellen Übergriffen in der Bundeswehr auszugehen". Eine andere Auffassung vertritt der Direktor am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr, Gerhard Kümmel. "In unserer Erhebung von 2008 haben fünf Prozent der Soldatinnen einen versuchten oder tatsächlichen sexuellen Gewaltakt gemeldet."