Staatsanwältin sieht besondere Schwere der Schuld. Angehörige schildern getöteten Tilmann T. als warmherzigen Menschen.

Dachau. Im Prozess gegen den Todesschützen von Dachau hat die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Gefängnisstrafe gefordert. Staatsanwalt Tilmann T. sei „vom Angeklagten kaltblütig ermordet“ worden, sagte Staatsanwältin Nicole Selzam am Donnerstag vor dem Landgericht München. „Der Angeklagte war bei dieser Tat voll schuldfähig.“ Anschließend ergriffen die Angehörigen das Wort und beschrieben den Getöteten als warmherzigen, engagierten Menschen, der wegen seines Glaubens an die Gerechtigkeit Richter werden wollte.

Der angeklagte Rudolf U. hatte vor elf Monaten im Amtsgericht Dachau den 31 Jahre alten T. getötet und ist des Mordes sowie des dreifachen Mordversuchs angeklagt. Der inzwischen beinamputierte Mann, der den Prozess vom Krankenbett aus verfolgt, hatte sich vor dem Dachauer Amtsgericht wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge verantworten müssen. Bei der Urteilsverkündung zog er eine Pistole, feuerte um sich und traf den Staatsanwalt tödlich. Der Richter konnte sich unter einem Tisch in Sicherheit bringen.

Die Staatsanwältin sagte in ihrem Plädoyer, der Angeklagte habe sich „in krasser Eigensucht“ über das Lebensrecht Anderer hinweggesetzt. Er habe aus niederen Beweggründen und in „absolutem Vernichtungswillen“ gehandelt und die Wehrlosigkeit seiner Opfer ausgenutzt. Nur das Eingreifen von Zeugen habe verhindert, dass er auch den Amtsrichter getötet hätte, sagte sie. Das Geständnis sei „ohne jede Reue“ erfolgt. Selzam verlangte in ihrem Plädoyer zudem, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Damit ist eine vorzeitige Entlassung aus der Haft nach 15 Jahren kaum möglich.

Mit eindringlichen Worten wandte sich die Ehefrau des Todesopfern, Gretchen T., an den Angeklagten. „Das was Sie getan haben, war sinnlos und es gibt keine Entschuldigung dafür“, sagte sie. „Und sie bereuen es nicht einmal.“ Sie fügte hinzu: „Er war unschuldig.“ Tilmann sei großherzig, „ehrlich und aufrichtig“ gewesen und habe immer an das Gute geglaubt.

„Tilmann war so voller Leben“

Unter Tränen schilderte die Witwe: „Tilmann war so voller Leben.“ Er habe Richter werden wollen. „Es kam ihm darauf an, etwas Gutes, Sinnvolles mit seinem Leben anzufangen.“ Die Tat sei besonders schwer zu verarbeiten, weil sie so sinnlos sei. „Er war ein Mann, der diesen Hass nie verdient hatte.“ Sie und der 31-Jährige seien so glücklich gewesen. „Ihn gekannt zu haben, hat mich zu einem besseren Menschen gemacht. Und ohne ihn ist die Welt zweifellos ein großes Stück ärmer geworden.“

Die Mutter des Getöteten sagte, mit Tilmanns Namen verbinde sich heute „Todesgrauen und panisches Entsetzen“. Ihr Mitgefühl gelte auch der Adoptivmutter des Angeklagten. „Denn wir haben beide unsere Söhne verloren.“

Die Familienangehörigen treten in dem Prozess als Nebenkläger auf. Ihre Anwälte kritisierten die „Manöver“ des Wahlverteidigers Maximilian Kaiser als „schamlos“, „geschmacklos“ und „unwürdiges Schmierentheater“. Kaiser hatte vor Gericht mehrfach für einen Eklat gesorgt und die Auseinandersetzung mit dem Vorsitzenden Richter Martin Rieder gesucht. Zuletzt hatte er am Mittwoch beantragt, Rieder wegen Befangenheit abzusetzen, was die zuständige Kammer in einem am Donnerstag verlesenen Beschluss ablehnte. Außerdem hatte Rieder vergeblich ein neues psychologisches Gutachten verlangt, da der Sachverständige Henning Saß unzureichend erfahren mit Amokläufen sei. Der renommierte Gutachter Saß hatte den Angeklagten als schuldfähig eingestuft.

Die Verhandlung soll um 13 Uhr fortgesetzt werden.