Der Angeklagte habe zwar eine Persönlichkeitsstörung, sein Einsichts- oder Steuerungsvermögen sei jedoch nicht beeinträchtigt gewesen.

München. Im Prozess um die Ermordung eines Staatsanwalts im Amtsgericht Dachau hat der psychiatrische Gutachter Henning Saß dem angeklagten Todesschützen Schuldfähigkeit bescheinigt. Rudolf U. habe zwar eine Persönlichkeitsstörung mit fanatischen und querulatorischen Zügen, sein Einsichts- oder Steuerungsvermögen sei jedoch nicht beeinträchtigt gewesen, sagte Saß am Mittwoch vor dem Münchner Landgericht.

Zuvor hatte der damalige Richter den Tathergang im Dachauer Gerichtssaal geschildert. Lukas Neubeck, den der Angeklagte bei der Verhandlung im Januar nach eigener Aussage ebenso wie Staatsanwalt Tilman T. töten wollte, berichtete, dass die ersten Schüsse gefallen seien, während er das Urteil verlesen habe. Er sei gerade noch rechtzeitig in Deckung gegangen.

Der Sachverständige Saß erklärte, U. sei durch seine Persönlichkeitsentwicklung für ein solches Verhalten disponiert gewesen, jedoch nicht so stark, dass er nicht auch hätte anders handeln können. Es habe viele Momente gegeben, wo er absichtsvoll und geplant vorgegangen sei, dies sei mit einer verminderten Steuerungsfähigkeit nicht vereinbar.

Schwachsinn, eine krankhafte Störung oder eine Wesensveränderung haben aus Sicht des Gutachters ebenfalls nicht vorgelegen. Auch ein Affektdelikt schloss Saß aufgrund der Vorgeschichte aus, da sich U. bereits seit Jahren wütend über die Justiz geäußert und Drohungen ausgesprochen habe.

Saß hatte U. seit den Schüssen im Dachauer Amtsgericht drei Mal untersucht. U.s schwierige Persönlichkeit leitete Saß dabei auch aus dessen Biografie her. Durch seine uneheliche Herkunft, Unterbringung im Heim und Adoption habe „aus psychiatrischer Sicht eine gewisse Hypothek“ auf U.s Leben gelegen, dies habe eine Belastung und Unsicherheit bedeutet.

U. ist des Mordes sowie des dreifachen Mordversuchs angeklagt. Der Mann hatte sich vor dem Dachauer Amtsgericht wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge verantworten müssen. Bei der Urteilsverkündung zog er eine Pistole, feuerte um sich und traf den 31-jährigen Staatsanwalt T. tödlich. Der Angeklagte hat bereits ein Geständnis abgelegt und zugegeben, er habe T. und den Richter aus Wut über mehrere verlorene Gerichtsverfahren erschießen wollen.

Richter Neubeck berichtete, er habe sich unter dem Richtertisch versteckt und seine Deckung erst wieder verlassen, als U. überwältigt gewesen sei. Die Waffe des Angeklagten habe er zunächst nicht für eine echte Pistole gehalten, erklärte der 36-Jährige, der das Geschehen ruhig und gefasst schilderte. Staatsanwalt T. habe er zunächst nicht für tödlich verletzt gehalten, sondern vermutet, dass dieser unter Schock stehe.

Unmittelbar vor der Verhandlung im Januar habe er den Angeklagten auf dem Parkplatz getroffen, ihm sei dabei aber nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Während der ersten Verhandlung im Dezember 2011 habe U. ständig dazwischengeredet und beruhigt werden müssen, sagte Neubeck.