Achill Moser und Wilfried Erdmann. Der Wüstenwanderer und der Weltumsegler. Zwei Leben am Limit, die eine Sehnsucht teilen.

Mich fasziniert beim Alleinsegeln das Unerreichbarsein. Mehr noch, das machen zu können, was man will. Ich muss niemandem Rechenschaft ablegen", sagt Wilfried Erdmann. "Ich musste lernen, mich selber auszuhalten, ohne jede Ablenkung", sagt Achill Moser. "Das war das Schwerste für mich beim Unterwegssein in der Einsamkeit."

Der eine segelte als erster Deutscher allein um die Welt und umrundete die Erde nonstop in 271 Tagen. Der andere erwanderte als erster Mensch 27 Wüsten der Welt zu Fuß oder mit Kamelen und war zuletzt in der Wahiba-Sands-Wüste im Oman, die seit 50 Jahren niemand mehr durchquert hat.

Wilfried Erdmann, 72, der Weltumsegler aus Schleswig-Holstein, und Achill Moser, 58, der Wüstenwanderer aus Hamburg. Zwei Grenzgänger, die eine Sehnsucht teilen - den gelebten Traum von einem selbstbestimmten Da-Sein. Sich einfach auf und davon machen. Das Weite suchen.

Es sind zwei Leben am Limit. Der eine sucht grenzenlose Freiheit und Abenteuer auf dem Wasser, der andere in den geheimnisvollsten Einöden der Erde. "Von der Wüste und vom Meer" heißt folgerichtig auch das neue Buch der beiden, mit dem sie nun erstmals gemeinsam auf Vortragstour gehen, um den Menschen in Ton und Bild von magischen Momenten in ihrem ungewöhnlichen Leben zu berichten.

Es sind die Menschen und die Tiere des Landes, aber vor allem die Farben und die Formen des Sandes, die Achill Moser im Frühjahr 2012 in den Oman ziehen. Ein Land, das zu 98 Prozent aus Sand und Stein besteht, zweitgrößter Staat auf der Arabischen Halbinsel. Von den rund drei Millionen Einwohnern ist jeder vierte ein Ausländer. Vor allem Inder und Pakistani leben in dem Sultanat, das 1970 nach der Machtübernahme durch Qabus ibn Said Al Said, den Sohn des despotischen Sultans, "wie in einem Fahrstuhl aus dem Mittelalter in die Gegenwart gerauscht ist", sagt Moser. Ihn interessieren aber weniger die Paläste, Moscheen oder die Büro- und Wohnhäuser in der Hauptstadt Maskat. Und auch nicht die neuen Ölfelder, die Straßen, Krankenhäuser, Arztpraxen oder die Universität. Moser sucht einmal mehr die Weite.

Er ist auf den Spuren des Engländers Wilfred Thesiger, der 1949 als erster Europäer die Wahiba Sands durchwanderte. "Seine Reiseberichte haben mich fasziniert. Seit ich sein Buch 'Die Brunnen der Wüste' gelesen habe, habe ich davon geträumt, es ihm gleichzutun und auch wie ein Nomade zu leben", sagt Moser.

"Niemand kann dieses Leben leben und unverändert daraus hervorgehen", schrieb Thesiger. "Er wird für immer, mehr oder weniger deutlich, das Zeichen der Wüste, das Zeichen des Nomaden tragen. Und er wird immer das Heimweh nach diesem Leben spüren, leise oder brennend, je nach seiner Veranlagung. Denn dieses grausame Land kann einen Zauber ausüben, dem ein gemäßigtes Klima nichts Vergleichbares entgegenzusetzen hat."

Es ist eine faszinierende Wüsten-Welt, in die Achill Moser zehn Tage lang eintaucht. Eine kaum zu bewältigende Bilderflut. "Gewaltige Dünenzüge, scharfe Grate, alpine Verwerfungen, bullige Rundungen, Riffe, Kegel, Kessel - alles aus Sand." Und dann am frühen Morgen und am Abend die Explosion der Farben. Ein Gemisch aus Rot, Orange, Gelb, Braun und Weiß. Manchmal bleibt er minutenlang stehen, weil er sich nicht satt sehen kann. "Oft waren sie so vielfältig, dass ich manche gar nicht benennen konnte, weil ich kein Wort dafür wusste."

Dazu kamen die Begegnungen mit den "Menschen des Sandes und des Windes". Rund 3000 Beduinen leben noch in den Wahiba Sands. Manche, die er traf, gaben ihm eindeutig zu verstehen, dass sie für sich sein wollten. Andere umarmten ihn, luden ihn zum Essen ein. Kaffee und Wasser, dazu köstliches Fladenbrot, das in der heißen Asche einer kleinen Feuerstelle gebacken wurde. Nach dem Essen wurde laut palavert, gelacht oder geschwiegen. "Denn in der Welt der Beduinen muss nichts Besonderes geschehen, um sich wohlzufühlen", schreibt Moser.

Er traf aber auch ungebetene Gäste. Neben Tausenden von Käfern stieß er täglich auf Spuren von Schlangen, die dort zuhauf leben, sich seitenwindend fortbewegen und blitzschnell in den Sand eingraben können. Arabische Sandboas, Eidechsennattern, Sandrennnattern und Sandrasselottern. "Besonders vorsehen musste ich mich vor der 80 Zentimeter langen Hornviper." Eine Giftschlange, die er zuweilen am Abend in einer Sandkuhle entdeckte, wenn er sein Lager herrichtete. "Mit einem langen Stock verscheuchte ich die Vipern."

Was lässt ihn nicht zur Ruhe kommen und sesshaft werden, sondern zieht ihn immer wieder hinaus? Warum tut er sich das immer wieder an? Achill Moser spricht von der "Rückkehr zur Langsamkeit", in der Weite werde alles überschaubar. Wüstenwandern ist für ihn manchmal auch eine Form der Meditation, "wobei ich eine herrliche Leere spüre". Im Oman wanderte er zehn Tage meist im "Vier-Schritte-Tempo". Was das heißt? "Vier Schritte gehen, dann einatmen, wieder vier Schritte gehen, dann ausatmen." Kilometer für Kilometer. "Alles war Bewegung, alles erschien mir ganz leicht. Ich war Herr meiner Zeit, meines Schicksals und spürte bald eine große Leichtigkeit."

Wilfried Erdmann berichtet vom "Segeln gegen den Alltag" und von Menschen, die sich bei ihm melden, weil sie sich "festgefahren" haben. "Der Umgang mit neuen Technologien, die hohen Anforderungen im Berufsleben, der Papierkrieg und privater Stress, die zunehmend unser Leben bestimmen, führen diese Leute zu mir." Erdmann bekommt Briefe von Menschen, die der Alltag krank gemacht hat und die an einem Punkt angekommen sind, "wo ich Einsamkeit brauche, wo ich anhalten muss, um das, was man Leben nennt, mehr genießen zu können".

Mehr Leben. Das klingt so schön, ist aber nicht einfach zu haben. Immer wieder neu aufbrechen, bedeutet eben auch, das sichere Terrain zu verlassen. Sehenden Auges, so drückt es Achill Moser aus, hinein "in mein Zauberreich, wo mich Hitze, Durst und Sandstürme erwarten".

Angst? Erdmann sagt, er sei kein ängstlicher Mensch, in Grenzsituationen packe ihn aber schon mal "eine kribbelnde Unruhe". Die Furcht oder der Respekt vor den Elementen Wind und Wasser sei das eine. Und das andere? "Es ist auch - und das ist womöglich der schwierigere Teil - Angst vor der Zeit, die vor mir steht wie ein Berg", sagt Wilfried Erdmann im Gespräch mit Achill Moser.

Die beiden haben sich ausgetauscht und in dem Buch auch über ihre Gefühlswelt, ihre Motivation und ihre existenziellen Fragen gesprochen. "Auch der christliche Glaube spielte für mich eine wichtige Rolle", sagt Erdmann. "Ohne das Vertrauen, das Gottvertrauen, ist es nicht zu schaffen." Moser, der als Jugendlicher aus der Enge seiner Hamburger Wohnung in Bramfeld geflohen ist, fand durch die vielen Begegnungen mit Menschen der unterschiedlichsten Glaubensrichtungen wieder zu einer Art Spiritualität. Beim Unterwegssein in der Wüste hat er das Gefühl, als würde ein unsichtbarer Papagei auf seiner Schulter sitzen, der ihn ständig begleitet und wie ein Schutzengel über ihn wacht. "Hört sich vielleicht etwas seltsam an, aber so empfinde ich."

Der liebevolle Gefährte war dabei, als Achill Moser 700 Kilometer durch die Wüste Gobi gewandert ist und sich "Tage voller irrer Glücksvisionen" mit Momenten "abgrundtiefer Ängste" abwechselten. "Oft habe ich bitterlich geweint, weil ich das Auf-mich-selbst-geworfen-Sein nicht mehr ertragen konnte." Stunden der Verzweiflung, die auch Erdmann kennt. Wenn die Wellen über sein Boot hereinschlugen und Brecher so laut wie Schüsse das Schiff auf der Luvseite trafen.

Die beiden Lebens-Extremisten hat es schon früh von zu Hause fortgezogen. Wilfried Erdmann war 18 Jahre alt, als er sich aufs Fahrrad setzte und nach Indien fuhr. Achill Moser war 17, als er im Süden Marokkos die Sahara entdeckte und ahnte, dass ihn die Wüste nicht mehr loslassen würde. "Es war Liebe auf den ersten Blick."

Warum die Wüste? "Nichts hat mein Leben, mein Denken und Fühlen nachhaltiger beeinflusst und verändert als die Wüsten der Erde, die für mich atemberaubende Räume der Schönheit und Stille sind", schreibt Achill Moser. "Magische Orte jenseits aller Vorstellungskraft, maßlos, unberechenbar, lebensfeindlich."

Warum das Meer? "Ich glaube, nirgends sonst ist der Bruch beim Wechsel vom bürgerlichen Leben in die pure Natur harscher und einfacher. Alles ist für mich schöner am Meer, im Meer und auf dem Meer", schreibt Wilfried Erdmann. Nichts erwarten. Nie Langeweile empfinden. Immer neue Aussichten genießen, wenn sich der Wind und das Licht verändern. "Ich hatte erkannt, dass keine Landschaft so viele Bilder bot wie das Meer."

Sie haben die heftigsten Stürme überstanden. Allein gegen Wellen und Wind. Sie haben von der Welt mehr gesehen als die meisten Menschen. Sie könnten aufhören, das Weite zu suchen. Sehr wahrscheinlich ist das nicht. "Die schier grenzenlosen Weiten aus Sand und Stein wurden für mich zur Droge, von der ich nicht mehr lassen kann", schreibt Achill Moser.

Sie haben für sich und ihr Leben vor allem eine Regel aufgestellt, und von der rücken sie nicht ab: Sie haben beide sehr früh beschlossen, die eigenen Träume nicht infrage zu stellen.

"Von der Wüste und vom Meer", Hoffmann und Campe, 320 S., 22,99 Euro