Gegen den geständigen Verdächtigen erging am Donnerstag Haftbefehl wegen Mordes. Der Mann gibt ein kurioses Motiv an.

Neuss. Die erstochene Sachbearbeiterin in einem Jobcenter im Neuss war wohl nur Zufallsopfer. Gegen den geständigen Verdächtigen erging am Donnerstag Haftbefehl wegen Mordes. Er gibt ein kurioses Motiv an. Die in einem Jobcenter in Neuss erstochene Sachbearbeiterin ist eher zufällig Opfer der Bluttat geworden. Der geständige Verdächtige habe eigentlich einen männlichen Kollegen der Frau heimsuchen wollen, berichteten Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag. Ein Richter erließ gegen den 52-jährigen Arbeitslosen am Donnerstag Haftbefehl wegen Mordes.

Sein Motiv sei erschreckend nichtig, berichteten die Ermittler: Als Grund der Attacke hatte der Mann Wut über den vermeintlichen Missbrauch seiner persönlichen Daten genannt. Ein Fernsehbeitrag über den Handel mit persönlichen Daten habe seinen Argwohn geweckt. Danach habe er nächtelang nicht geschlafen. Er soll nun auf seinen Geisteszustand untersucht werden.

Mit einer Schweigeminute wollen Mitarbeiter von Arbeitsagenturen und Jobcentern an diesem Freitag bundesweit ihrer getöteten Kollegin gedenken. „Wir alle stehen unter dem Eindruck der gestrigen Tragödie“, sagte das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, am Donnerstag in Nürnberg.

Alt kritisierte, dass in sozialen Netzwerken und Internetforen diskutiert werde, ob der Täter zu Recht gehandelt haben könnte. Das sei beschämend. „Es gibt keine Frage, wer in diesem Fall Täter und wer Opfer ist.“

Der Vater von fünf Kindern war am Mittwochmorgen mit zwei Messern in die Behörde gestürmt, um einen Sachbearbeiter zur Rede zu stellen. Der hatte ihn einige Tage zuvor eine Erklärung unterschreiben lassen, die die interne Datenweitergabe regelt. Weil der Mitarbeiter nicht an seinem Platz war, hatte der 52-Jährige seine persönliche Sachbearbeiterin aufgesucht. Die Frau habe mit ihm kurz gesprochen, ihn wegen eines bereits wartenden Kunden mit Termin aber bald aus dem Büro geschickt.

Daraufhin habe er ein Messer gezückt, dessen Klinge aber abbrach. Der 52-Jährige holte ein zweites Messer hervor und rammte es der 32-jährigen Mutter aus Düsseldorf mit voller Wucht in den Körper. Die 20 Zentimeter lange Klinge sei bis zum Heft eingedrungen. Die Frau erlitt drei tiefe Stiche in Brust, Bauch und Oberschenkel.

Die Mitarbeiterin sei „möglicherweise nur Zufallsopfer“, sagte der Leiter der Mordkommission, Guido Adler. Der arbeitslose Mann habe nach eigenen Angaben schon „vor Wut gekocht“, als er das Büro betrat, sagte Staatsanwältin Britta Zur. Er habe eine Tötungsabsicht zwar bestritten, die Tatspuren sprächen aber eine andere Sprache.

Eine Leistungskürzung oder ähnliche gravierende Einschnitte hätten dem Mann nicht gedroht. Er habe in einem Projekt fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden sollen. Ein Mitarbeiter eines Instituts habe dazu einen Lebenslauf mit dem 52-Jährigen erstellt, der früher Landwirt gewesen sein soll. Der Mann ist geschieden und nicht vorbestraft.

Nach der Bluttat ist eine Sicherheitsdiskussion entbrannt. Die Sicherheitsmaßnahmen in den Jobcentern kämen auf den Prüfstand, sagte ein Sprecher der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag in Düsseldorf. „Man muss alles überdenken.“

Das Büro der 32-jährigen Mitarbeiterin hatte nach Angaben der Jobcenter-Leiterin keine Zwischentür, die eine Flucht oder schnelle Hilfe aus dem Nachbarbüro ermöglicht hätte. Auch gab es in dem Gebäude keinen privaten Sicherheitsdienst. Das Opfer hatte noch am Tag vor ihrem Tod an einem Deeskalationstraining teilgenommen. Den Notfallknopf an ihrer Tastatur hatte sie nicht ausgelöst. Möglicherweise kam der Messerangriff dafür zu rasch.

„Man kann keine Beratung hinter Panzerglas führen“, hieß es bei der Regionaldirektion NRW. Aber über Maßnahmen wie etwa Metallschleusen an den Eingängen wie an den Gerichten in NRW werde man nun diskutieren müssen. „Denkblockaden gibt es da nicht mehr.“

Die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit plant nach der tödlichen Attacke im Neusser Jobcenter vorerst keine unmittelbaren Konsequenzen. Die Gewerkschaft Verdi forderte dagegen eine Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen in allen Jobcentern. Kommunen und Bundesagentur für Arbeit müssten „unverzüglich die Sicherheitskonzepte der Jobcenter auf den Prüfstand stellen, damit sich solch ein schrecklicher Vorfall wie in Neuss nicht wiederholen kann„, forderte Isolde Kunkel-Weber vom Verdi-Bundesvorstand in Berlin.