Das Volk paart sich einfach nicht. Geburtenrate sinkt rapide. Staat ist alarmiert. Ein neues Ministerium soll jetzt für mehr Nachwuchs sorgen.

Singapur. Ein Rap-Song mit sexy Botschaft ist in Singapur zum Nationalfeiertag vor kurzem zur Internet-Sensation geworden: „Lass uns unsere Bürgerpflicht tun, ...Kindermachen, komm, wir schauen nicht Feuerwerk, wir machen es!“ heißt es in dem Werbesong einer Kaubonbon-Marke. Von „lustig“ bis „peinlich“ reicht die Palette der Reaktionen, doch Kichern reicht nicht: Singapur braucht mehr Babys. Die Regierungspartei von Staatsgründer Lee Kuan Yew, die das Land seit der Unabhängigkeit 1965 gängelt, versucht seit Jahren, die Bürger zur Fortpflanzung zu ermuntern, mit wenig Erfolg. Jetzt wird ein Ministerium für Sozial- und Familienentwicklung geschaffen.

Lee ist sauer. „Wenn wir so weitermachen, können wir einpacken“, wetterte der 88-Jährige Anfang August in seinem Wahlkreis. „Dann gibt es keine hier geborenen Bürger mehr, die die Mehrheit stellen. Wir können es doch nicht Zugewanderten überlassen, unseren sozialen Ethos zu definieren.“ Die Bevölkerungszahl ist zwar von vier Millionen im Jahr 2000 auf fast 5,2 Millionen im Jahr 2011 gestiegen, doch liegt das überwiegend an den Zuwanderern.

Die Geburtenrate mit statistisch 1,2 Kindern pro Frau gehört zu den niedrigsten der Welt. Das Volk paart sich einfach nicht, oder später als der Staatsgründer es wünscht, der selber mit 27 unter der Haube war. 44 Prozent der 30- bis 34-jährigen Männer sind Single, 31 Prozent der Frauen. Im Jahr 2000 lagen die Zahlen bei 33 und 22 Prozent.

Die Regierung hat es vergeblich mit behördlicher Eheanbahnung probiert, mit Single-Clubs, Tanzschulen für heißen Samba und sogar staatlich organisiertem Speed-Dating. Auch ein „Babybonus“ – bis zu 10.000 Singapur-Dollar (fast 6500 Euro) für das erste und bis zu 22.000 für das dritte Kind und weiteren Nachwuchs – hat daran nichts geändert. „Das ist in Nullkommanichts weg“, sagt Genevieve Lee (37).

Sie hat zwei Söhne, fünf und sieben Jahre alt, die schon im zarten Alter jedes Wochenende Privatunterricht bekommen: erst, um die Aufnahmeprüfung in eine gute Schule zu schaffen, dann, um mithalten zu können. Das erwarteten die Lehrer, sagt die selbstständige PR-Frau. Im Monat gehen pro Kind schnell 500, 600 Dollar drauf. „Der Leistungsdruck fängt schon im Kindergarten an. Mittelmaß ist verpönt. Jeder will zu den Besten gehören.“ Darauf setzt auch Baby-Spa, ein Wellness-Tempel für die Kleinsten. „Jedes Kind ist ein Genie, so lange es in warmem Wasser trainieren kann“, frohlockt die Webseite - 62 Singapur-Dollar (40 Euro) kostet ein Testbad mit Massage.

Gerade junge Frauen haben wenig Lust auf Kranz und Schleier. „Ich habe alle Energie in meine Ausbildung gesteckt und einen guten Job. Ich kaufe gerne teure Schuhe und Handtaschen und reise gerne, das kann ich mir mit Kindern nicht leisten,“ sagt Immobilienmaklerin Mary Chan (32). „Viele Singapurer Männer suchen eine Frau fürs Heim und zur Versorgung ihrer Eltern – nicht mit mir“, sagt eine Verlegerin. Spaß und Spannung statt Weichei und Windel ist ihre Devise.

Auf Spaß setzt auch der Drops-Werbespot, der über soziale Netzwerke verbreitet wurde. „Ich bin ein patriotischer Ehemann, du bist meine patriotische Frau, yeah-ah“, rappt der Sänger. „Ich raube Dir den Atem mit einem Boom.“ Der Song ist eine Persiflage auf die Schmuse-Lieder mit Video in Weichzeichner-Optik, die die Regierung immer zum Nationalfeiertag in Auftrag gibt – mit glücklichen Paaren und Familien. Dagegen nennt der Drops-Spot die Dinge beim Namen.

Um das Problem ein für alle Mal richtig anzupacken, gibt es nun das Ministerium für Sozial- und Familienentwicklung. „Wir müssen ein Umfeld schaffen, das junge Leute ermuntert, Familien zu gründen“, sagt Minister Chan Chun Sing (41), verheiratet, drei Kinder. Auf einer Webseite dürfen Singapurer sagen, was sie wünschen. „Wie können wir Singapurer unterstützen, damit sie früher heiraten und mehr Kinder bekommen?“ heißt es da.

„Stimmt, es ist teuer, ein Kind großzuziehen“, räumt Professor Tan Ern Ser von der National University ein. „Singapurer verstehen, dass die Geburtenrate steigen muss. Aber was gut für das Land ist, ist noch lange nicht auch gut für den Einzelnen.“