Ein Attentäter stürmte in den Tempel und erschoss sechs Gläubige der indischen Gemeinde. Sein Motiv ist unklar. Sikhs in den USA in Angst.

Oak Creek. Angst und Entsetzen nach dem Blutbad in einem Sikh-Tempel im US-Staat Wisconsin: Zwar herrschte weiter Rätselraten über den Beweggrund des Täters, der am Sonntag in Oak Creek bei Milwaukee sechs Gläubige erschoss, doch Beobachter gingen von einem durch Hass motivierten Verbrechen aus. Alle Angehörigen der Glaubensgemeinschaft in den USA trauerten und seien zugleich voller Angst, erklärte die Analystin und Filmemacherin Valerie Kaur, die seit Jahren Angriffe auf Sikhs dokumentiert. Der Angreifer, laut Behörden ein weißer Mann zwischen 40 und 50 Jahren, kam in einem Schusswechsel mit der Polizei ums Leben.

„Wir hätten nie gedacht, dass dies unserer Gemeinde passieren könnte“, sagte Mitglied Devendar Nagra. „Wir haben nie jemandem etwas getan.“ Die Polizei sprach von einem Akt des Inlandsterrorismus, ohne allerdings mögliche Motive mitzuteilen. Neben einem Polizisten befanden sich noch zwei weitere Personen in kritischem Zustand.

„Er hat nichts gesagt, einfach angefangen zu schießen“, berichtete ein Mitglied der Gemeinde unter Berufung auf Augenzeugen. Gläubige erklärten, sie hätten den gut 1,80 Meter großen und kahlköpfigen Mann zuvor noch nie in dem Tempel gesehen. Er habe den Anschein erweckt, als verfolge er ein klares Ziel und wisse, wohin er vordringen wolle.

Flucht in die Speisekammer

Die 24-jährige Gurpreet Kaur berichtet, ihre Mutter habe mit rund 14 anderen Frauen das Essen in der Küche des Tempels vorbereitet, als der Täter erschien und das Feuer eröffnete. Die Gruppe sei dann zur Speisekammer geflüchtet.

Ein Freund von ihm sei auf den Parkplatz des Tempels gefahren, habe Schüsse gehört und zwei Menschen hinfallen sehen, sagte der 21-jährige Sunny Singh. Der Angreifer habe dann nach Beobachtung des Freundes seine Waffe neu geladen und sei in den Tempel gegangen.

Die Sicherheitskräfte teilten mit, vor dem Tempel seien zwei Opfer gefunden worden, darunter ein Polizist. In dem Gotteshaus wurden vier Menschen von dem Angreifer erschossen. Befürchtungen, Komplizen hielten Frauen und Kinder gefangen, bewahrheiteten sich nicht.

Bombenentschärfungskommando vor Ort

Nach dem Vorfall evakuierte die Polizei einige Häuser in einem nahegelegenen Vorort. Dabei wurden vier Blocks in Cudahy abgesperrt, das nur wenige Kilometer von dem Tempel entfernt liegt. Die Sicherheitskräfte durchsuchten ein Zweifamilienhaus. Bei der Evakuierung war nach Angaben der Polizei auch ein Bombenentschärfungskommando vor Ort. Warum dieses gerufen wurde, wurde allerdings nicht ausgeführt.

Auch zum möglichen Motiv gab es Stunden nach der Tat keine neuen Erkenntnisse: „Während das FBI ermittelt, ob es sich hier um einen Akt des Inlandsterrorismus handeln könnte, konnte bislang kein Motiv festgestellt werden“, teilte eine Sprecherin der Bundespolizei in der Nacht zu Montag mit.

In New York und Chicago teilte die Polizei mit, dass die dortigen Sikh-Tempel als Vorsichtsmaßnahme stärker unter Beobachtung gestellt würden. US-Präsident Barack Obama äußerte sich „zutiefst betrübt“ und sicherte jegliche notwendige Unterstützung zu, um das Verbrechen aufzuklären. Sikhs seien Teil der amerikanischen Familie, betonte er.

Der indische Ministerpräsident Manmohan Singh zeigte sich geschockt. Er verurteilte den Anschlag am Montag als „sinnlose Gewalttat“. Der Sikhismus ist eine im 15. Jahrhundert in Indien entstandene monotheistische Religion. Sie hat weltweit 27 Millionen Anhänger.