Der ehemalige RAF-Terrorist soll einem Mithäftling erzählt haben, dass Verena Becker die Mörderin von Siegfried Buback sei.

Stuttgart. Ob diese Geschichte stimmt? Der ehemalige RAF-Terrorist Christian Klar, der zu seinen Taten bislang genauso eisern schweigt wie die meisten seiner Kampfgenossen, soll im Gefängnis einem Mithäftling erzählt haben, wie es nun wirklich war – damals, 1977, der Mord an Siegfried Buback. Am Donnerstag sagte Klars Knastkollege vor dem Oberlandesgericht Stuttgart aus. Dort ist Ex-Terroristin Verena Becker angeklagt, als mögliche Mittäterin des Attentats auf Buback.

Bei Kaffee und Kuchen hätten sie auf Klars Zelle in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal gesessen, erzählt der 37-Jährige, der unter anderem wegen mehrerer Raubüberfälle seit fast zehn Jahren im Gefängnis sitzt. Klar habe ihm erzählt, er sei zu Unrecht wegen des Mordes an Buback verurteilt worden. Wer Buback erschossen habe? „Die Verena wars.“ Welche Verena? „Die Becker.“

So schildert der Zeuge vor dem OLG den Dialog in Klars Gefängniszelle. Es sei der letzte Spieltag der Bundesliga-Saison 2004 gewesen, der Tag, an dem Werder Bremen Deutscher Meister wurde. Klar habe Kaffee gekocht, bei der Kuchensorte ist sich der Zeuge nicht mehr ganz sicher, es könnte Marmorkuchen gewesen sein, sagt er.

Sicher ist jedenfalls, dass die Stuttgarter Richter alles, aber auch wirklich alles versuchen, um nach 34 Jahren endlich auch den entferntesten Spuren im Mordfall Buback nachzugehen. Denn bislang hat der Prozess auch nach fast zehn Monaten kaum belastbare Hinweise auf eine direkte Beteiligung Beckers ergeben. Und auch bei der Aussage des ehemaligen Mitgefangenen gibt es einige Eigenartigkeiten - angefangen bei der Frage, warum es fünf Jahre dauerte, bis er 2009 dem Bundeskriminalamt von der angeblichen Aussage Klars erzählt.

Der Wortlaut des Dialogs soll in der damaligen Aussage – über die 2009 schon einige Medien berichteten – aber noch ein anderer gewesen sein. „Die Becker wars“, habe Klar gesagt. Man wüsste nun zu gern, ob die RAF-Genossen nun üblicherweise mit Vor- oder Nachnamen voneinander redeten. Und en passant soll Klar auch noch ein weiteres RAF-Rätsel aufgelöst haben, in der Zelle, bei Kaffee und Kuchen: Er habe Schleyer erschossen. Sowohl die Bundesanwaltschaft als auch Beckers Verteidiger machten sehr deutlich, dass sie diese Geschichte nicht glauben. Die übliche Frage, ob der Zeuge vereidigt werden solle, verneinte Bundesanwalt Walter Hemberger geradezu entsetzt: „Um Gottes Willen!“

Die Reihe rätselhafter Zeugen am Donnerstag war damit noch nicht zu Ende: Am Nachmittag trat ein ehemaliger Informant des Rheinland-Pfälzischen Verfassungsschutzes auf. Auch er soll gehört haben, dass Becker die Schützin war – von einem RAF-Unterstützer, der dummerweise schon tot ist. Vor Gericht davon erzählen wollte der Zeuge dann aber doch nicht – er habe geheimnisvollen Besuch vom Verfassungsschutz bekommen. Der habe ihn indirekt vor einer Aussage gewarnt; nun brauche er einen Zeugenbeistand. Darüber wollte das OLG nicht sofort entscheiden.

Christian Klar wird übrigens selbst Gelegenheit haben, seine Version des angeblichen Kaffeeklatsches zu erzählen: Wie der Vorsitzende Richter Hermann Wieland bekanntgab, ist der 59-Jährige für den 16. August als Zeuge geladen. Klar, der zu den Anführern der „Zweiten Generation“ der RAF gehörte, hatte sich längere Zeit in Übersee aufgehalten und war zunächst nicht als Zeuge vorgesehen gewesen. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass der 59-Jährige vor Gericht Angaben zum Attentat auf Buback machen wird. Klar hatte sich bereits im Ermittlungsverfahren auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen, da er ansonsten Gefahr laufe, sich selbst zu belasten. (abendblatt.de/dpa)