Über die Motive der 41-Jährigen wird noch spekuliert – es könnte ein Sorgerechtsstreit gewesen sein. Sicher ist: Die Täterin war Sportschützin.

Lörrach. Nach dem Amoklauf in Lörrach setzen die Ermittler Puzzleteil um Puzzleteil des Tathergangs zusammen. Über die Motive wird noch spekuliert – es könnte ein Sorgerechtsstreit gewesen sein. Sicher ist: Die Täterin war Sportschützin.

Das katholische St. Elisabethen-Krankenhaus in der Innenstadt von Lörrach ist noch immer abgeriegelt, die Polizei sucht nach Spuren. Schritt für Schritt wird der Tathergang rekonstruiert. Die Suche nach dem Motiv der Amokläuferin macht erste Fortschritte.

Am Tag nach dem Tat mit 4 Toten und 18 Verletzten steht die Kleinstadt im Süden Baden-Württembergs, direkt an der Grenze zur Schweiz, weiter unter Schock. Schaulustige versammeln sich am Montag vor der Klinik und dem benachbarten Mehrfamilienhaus. Dort hatte die Frau eine Explosion ausgelöst und ihren früheren Partner und den gemeinsamen kleinen Sohn getötet.

„Wir setzen die Spuren und Erkenntnisse zusammen und versuchen, uns daraus ein Bild zu machen“, sagt Polizei-Einsatzführer Michael Granzow. Fest steht bislang: Die Täterin war eine 41 Jahre alte Rechtsanwältin – und Sportschützin. In dem Mehrfamilienhaus in der Lörracher Markus-Pflüger-Straße, direkt in der Innenstadt, hatte sie ihre Kanzlei.

Dieses Haus wurde in der Todesnacht zum ersten Tatort. Möglicherweise war ein Sorgerechtsstreit der Auslöser für die Tat. Zuerst, so die Polizei, tötete die Juristin Mann und Kind. Danach ließ sie die Wohnung explodieren.

Nach dem Familiendrama stürmte die Frau mit einer Sportwaffe Kaliber 22 und einem Messer in der Hand das gegenüberliegende Krankenhaus. Auf der Straße davor schoss sie um sich und feuerte wahllos auf Menschen. Sie ging gezielt zur gynäkologischen Abteilung und tötete einen Pfleger. Zudem verletzte sie zwei Passanten sowie einen Polizisten. „Es waren Zufallsopfer“, sagt Granzow. Nach einer Schießerei im Krankenhausflur erschossen Polizisten die Frau.

„Es war eine heftige Explosion und eine wilde Schießerei. Ich bin jetzt noch ganz schockiert“, sagt Mohamed Amir, der nahe am Tatort ein Restaurant betreibt. Seine Gäste waren nach den Szenen vor der Tür in Panik aus dem Restaurant geflüchtet, Amir hatte die ganze Nacht die Arbeit von Polizei und Rettungskräften beobachtet. Am Tag danach bewirtet er Journalisten und Kameraleute, die aus ganz Deutschland in die Kleinstadt gekommen sind. „Ganz Lörrach steht unter Schock“, sagt die Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm (CDU).

Nachbarn rätseln über das Motiv. Viele von ihnen können noch immer nicht begreifen, was passiert ist. Das Haus, das durch die Explosion erschüttert wurde, ist von Ruß geschwärzt. Die Fenster sind durch die Wucht der Detonation aus der Verankerung gerissen, Glasscherben verteilen sich auf der Straße.

+++ Frauen begehen seltener Amokläufe +++

Auf der anderen Seite der Polizeiabsperrung macht sich Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) ein Bild der Lage. Rech lobt das schnelle Eingreifen der Beamten: Die ersten Polizisten, die in Lörrach nach den Notrufen vor Ort waren, hatten nicht auf das Sondereinsatzkommando gewartetet, das im gut 250 Kilometer entfernten Göppingen aufgebrochen war. Sie stellten die Täterin und griffen zur Waffe. „Durch ihr beherztes Eingreifen haben die eingesetzten Beamten Schlimmeres verhindert“, sagt Rech. „Wäre die Frau weiter bewaffnet in Aktion gewesen, hätte es mit Sicherheit weitere Opfer gegeben.“

Die Klinik versucht unterdessen, den Alltag zu organisieren, trotz der Absperrungen und der hohen Polizeipräsenz. „Wir versuchen, das Geschehene zu verarbeiten“, sagt der Chef der Klinik, Helmut Schillinger. Dazu gehöre, dass Mitarbeiter und Patienten psychologisch betreut werden und das Sicherheitskonzept überprüft werde. Zur Tagesordnung will die Klinik nicht so schnell übergehen. „Unser Schmerz ist groß“, sagt Schillinger. „Niemand von uns hätte jemals gedacht, dass so etwas in einem Krankenhaus passieren kann.“