In Oslo beginnt der Prozess gegen den Attentäter, der am 22. Juli 2011 nicht nur sein Heimatland in schockte. Breivik darf auch über Ideologie sprechen. Viele befürchten, der rechtsradikale Islamhasser könnte mit seinen rassistischen Aussagen zum Mythos werden.

Oslo. Am heutigen Montag beginnt der Prozess gegen den norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik. Der 33-Jährige gestand, am 22. Juli vergangenen Jahres 77 Menschen getötet zu haben, hält sich aber nicht im juristischen Sinne für schuldig: Vielmehr habe er Norwegen vor einer Islamisierung schützen wollen. An jenem Freitag zündete er zunächst eine Bombe im Regierungsviertel von Oslo, dann richtete er auf der Insel Utöya unter den Teilnehmern eines Jugendlagers der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei ein Massaker an. Die Richter sollen nun über die Schuldfähigkeit Breiviks entscheiden. In einem ersten Gutachten wurde er für unzurechnungsfähig erklärt, in einem zweiten bescheinigten die Experten ihm geistige Gesundheit. Vor Gericht wird Breivik laut seinem Anwalt sein Bedauern äußern, dass er nicht noch mehr Menschen tötete.

Für die Norweger reißt der zehnwöchige Prozess in Oslo die Wunden aus dem vergangenen Sommer wieder auf. Viele befürchten, der rechtsradikale Islamhasser könnte mit seinen rassistischen Aussagen zum Mythos werden. Denn Breivik darf fünf Tage lang selbst über seine Motive und Ideologie sprechen. Sein Verteidiger Geir Lippestad kündigte an, sein Mandant wolle die Taten nicht nur verteidigen, sondern bedauern, dass er nicht noch weiter ging. Die Staatsanwälte Inga Bejer Engh und Svein Holden dagegen wollen versuchen, Breiviks Aussagen auf das absolut wichtigste zu begrenzen und so Hinterbliebene und Opfer zu schützen. Dennoch sind schockierende Aussagen zu erwarten.

Der 33-Jährige hat die Verantwortung für die zwei Attentate am 22. Juli vergangenen Jahres bereits übernommen. Laut Anklage zündete er im Osloer Regierungsviertel eine aus Kunstdünger gebaute 950 Kilogramm schwere Autobombe. Acht Menschen starben, mehrere Hundert wurden verletzt. Anschließend soll er in einem Feriencamp auf der Insel Utøya gezielt 69 junge Sozialdemokraten getötet haben. Allein 52 von ihnen schoss er den Staatsanwälten zufolge in den Kopf.

Für seine Terrorakte könnte Breivik 21 Jahre lang ins Gefängnis kommen – oder, falls ihn das Gericht für geisteskrank erklärt, in die geschlossene Psychiatrie. Mehr als 50 Überlebende sollen gegen ihn aussagen. Die Verteidigung will Zeugen sowohl aus dem rechtsextremen wie dem islamistischen Milieu aufrufen. Es wird erwartet, dass sich Breivik am ersten Prozesstag als „nicht schuldig“ bekennt. Bereits in früheren Anhörungen hatte der 33-Jährige deutlich gemacht, dass er zwar die Verantwortung für die Attentate übernehme, sie aber nicht als Verbrechen verstehe.

Medien erwarten den größten Prozess in der Geschichte Norwegens. In 17 Gerichtssäle im gesamten Land werden die Geschehnisse live übertragen – für die vielen Angehörigen und Hinterbliebenen, die im Osloer Gericht keinen Platz finden. Mehr als 500 Journalisten haben sich angekündigt, sieben Straßen im Umkreis des Gerichts werden für den Verkehr gesperrt. Fast drei Millionen Euro kosten die Sicherheitsvorkehrungen, berichtet der Fernsehsender NRK. Breivik, der Medien zufolge bereits zwei Morddrohungen erhalten hat, wird hinter schusssicheren Glasscheiben sprechen. Er sieht den Prozess nach eigener Aussage als „absolut einmalige Möglichkeit, der Welt meine Ideen zu erklären“.

Mit Material von dapd und dpa