Lange nicht mehr hat ein Kriminalfall Amerika derart aufgewühlt. Es ist nicht nur der Tod des Jungen, der unter die Haut geht. Es ist die Tatsache, dass der Schütze drei Wochen nach der Tat noch immer auf freiem Fuß ist und dass sich die Polizei ohne langes Federlesen seiner Notwehr-Behauptung anschließt, die böse Erinnerungen weckt. Längst ist aus dem Verbrechen ein Fall „Weiß gegen Schwarz“ geworden.

Washington. Die Bilder des Opfers, die durch die US-Medien gehen, zeigen einen schwarzen Jungen, fast noch ein Kind. Sanfte Augen, schüchternes Lächeln. 17 Jahre alt wurde Trayvon Martin. Bei einem Abendspaziergang in Sanford (Florida) fiel der Jugendliche einem „Nachbarschaftswächter“ in die Hände. Minuten später tötete der 28-Jährige den unbewaffneten Jungen mit einem Schuss in die Brust - angeblich aus Notwehr. Lange nicht mehr hat ein Kriminalfall Amerika derart aufgewühlt. Es ist nicht nur der Tod des Jungen, der unter die Haut geht. Es ist die Tatsache, dass der Schütze drei Wochen nach der Tat noch immer auf freiem Fuß ist und dass sich die Polizei ohne langes Federlesen seiner Notwehr-Behauptung anschließt, die böse Erinnerungen weckt. Längst ist aus dem Verbrechen ein Fall „Weiß gegen Schwarz“ geworden.

„Es fühlt sich an wie ein Echo aus einer anderen Ära, als rassistische Ungerechtigkeit Schlagzeilen machte“, schreibt die „Washington Post“ am Donnerstag. Ausführlich lässt das Blatt Afro-Amerikaner zu Wort kommen, die ebenfalls von Übergriffen von Weißen auf Angehörige berichten. „Post-Rassismus“, nennen Experten das Phänomen. 50 Jahre nach der Bürgerrechtsbewegung und ungeachtet eines schwarzen Präsidenten – das Verhältnis zwischen den Rassen in den USA scheint alles andere als entspannt.

Akribisch versuchen US-Medien die Umstände der Tat nachzuzeichnen. „Der Kerl scheint nichts Gutes im Schilde zu führen...“, soll der Hobby-Polizist in einem Anruf bei der Polizei gesagt haben. „Diese Arschlöcher kommen immer davon.“ Allein weil der Junge einen Kapuzenpullover trug, soll der 28-Jährige Verdacht geschöpft haben. Dabei soll die Polizei ihm ausdrücklich geraten haben, den Jungen nicht zu verfolgen. Er solle nicht eingreifen. Auch das Opfer griff in den entscheidenden Minuten vor seinem Tod zum Handy. Aufgeregt habe er seiner Freundin berichtet, dass er verfolgt werde. „Lauf schneller“, soll sie ihm geraten haben.

Experten betonen, auch die besonderen Gesetze Floridas hätten zu der Tat beigetragen. „Stand Your Ground“ heißt das umstrittene Gesetz, zu Deutsch etwa „Weiche nicht zurück“. Es gibt Bürgern in Florida ein besonders ausgeprägtes Recht auf Selbstverteidigung. Sie sind etwa nicht mehr gehalten, zurückzuweichen und eine Eskalation zu vermeiden. „Ein gefährliches Gesetz“, kritisiert die „New York Times“, das es Waffenbesitzern leicht mache, zu töten und das Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch zu nehmen. Das Blatt moniert, vor allem die mächtige Waffenlobby habe sich für das Gesetz stark gemacht.

Eine weitere Besonderheit des Falls: Über Wochen blieb er lediglich eine lokale Angelegenheit, die das übrige Land kalt ließ. Erst als sich die großen TV-Sender darum kümmerten und als sich Blogger sowie soziale Netzwerke einschalteten, entbrannte die Debatte. Jetzt ist auch Washington erwacht: Justizministerium und FBI haben sich eingeschaltet. Einer der offenen Fragen lautet nach wie vor: Warum trug der selbsternannte Wachmann überhaupt eine Waffe bei sich? Die lokale Polizei gerät immer mehr unter Druck. In New York gingen bereits Demonstranten auf die Straße – in Kapuzenpullovern.

Während die Eltern des 28-Jährigen betonen, ihr Sohn sei kein Rassist, er habe auch schwarze Freunde, äußert sich die Mutter des Opfers mit tränenerstickter Stimme im Fernsehen: „Mein Sohn hat keine Verbrechen begangen. Er hat den Tod nicht verdient.“