Die “Mona Lisa“ im Prado-Museum in Madrid galt als Kopie wie viele andere. Nun ist klar: Es handelt sich um eine “Zwillingsschwester“ von da Vincis Meisterwerk.

Madrid. Die "Mona Lisa aus dem Madrider Prado" hatte mit dem Original zwar das geheimnisvolle Lächeln gemeinsam, aber sie wirkte vor einem schwarzen Hintergrund finster und traurig. Nun machten die Experten des Museums eine erstaunliche Entdeckung: Die Madrider "Mona Lisa" ist keine Kopie wie jede andere, sondern eine "Zwillingsschwester" der Schönen, die Millionen von Kunstliebhabern in ihren Bann zieht.

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In gewisser Hinsicht ist es sogar ein wenig schöner als das Original: Jahrelang hatte das Bild der "Mona Lisa“ im Madrider Prado-Museum gehangen, ohne dass ihm jemand eine besondere Bedeutung beimaß. Das Gemälde galt als eine der zahllosen Kopien des Meisterwerks von Leonardo da Vinci (1452-1519).

Das Gemälde sei nicht nur zur gleichen Zeit wie das Original entstanden, sondern auch in der florentinischen Werkstatt Da Vincis und unter dessen Aufsicht, gab das Prado-Museum bekannt. Während der Meister Anfang des 16. Jahrhunderts an seiner "Mona Lisa“ arbeitete, habe einer seiner Schüler synchron und gleich daneben die Kopie gemalt. Die Experten gehen davon aus, dass Da Vincis Lieblingsschüler Francesco Melzi der Maler war, vielleicht auch Andrea Salai, der später ein Liebhaber des Meisters geworden sein soll.

Wie konnte es geschehen, dass der Wert des Madrider Gemäldes so lange verkannt wurde? Das Bild war bislang einem unbekannten flämischen oder niederländischen Künstler zugeschrieben worden, weil der Rahmen, auf den die Leinwand gespannt ist, nach dem offiziellen Verzeichnis aus Eichenholz war, wie dies in der flämischen Schule üblich war. Die Florentiner benutzten dagegen üblicherweise Nussbaumholz.

Der Louvre in Paris, in dem das Original hängt, bat vor zwei Jahren das Prado-Museum darum, die Kopie als Leihgabe in einer Ausstellung zeigen zu dürfen. Die Spanier nutzten das Gesuch dazu, das Gemälde zu restaurieren. Dabei machten sie erstaunliche Feststellungen: Der Rahmen ist nicht wie angegeben aus Eichen-, sondern aus Nussbaumholz; der schwarze Hintergrund war nachträglich aufgetragen worden; und darunter verbarg sich – ebenso wie auf dem Original – eine toskanische Landschaft.

Mit Hilfe von Infrarotstrahlen fanden die Madrilenen heraus, dass der Maler der Kopie bei seiner Arbeit an dem Bild dieselben Korrekturen vornahm wie Da Vinci am Original. Dies zeige, dass beide Werke simultan entstanden seien, betonten die Prado-Experten. Sie schlossen aber aus, dass die Kopie ebenfalls ein Werk des Meisters ist. Sie weise nicht die leichte Strichführung Da Vincis auf.

Zudem fehle ihr die von dem Künstler entwickelte Technik des "Sfumato“. Diese besteht darin, Landschaften und Gegenstände in einen rauchigen Dunst zu hüllen. Bei der "Mona Lisa aus dem Prado“ treten daher Einzelheiten hervor, die dem Original fehlen oder dort nur verschwommen dargestellt sind: Sie hat zum Beispiel Augenbrauen, die auf dem Bild im Louvre fehlen; beim Kleid sind der Saum am Ausschnitt und die Falten klarer zu erkennen.

Insgesamt wirkt die Zwillingsschwester, nachdem die Restauratoren den schwarzen Hintergrund entfernt und die Landschaftsdarstellung freigelegt haben, beinahe ein wenig schöner als Da Vincis "La Gioconda" (die Heitere), wie das Bild im italienischen Original heißt. Die Farben sind leuchtender, und die Frau mit dem mysteriösen Lächeln wirkt jugendlicher. "Es ist, als hätte man die Mona Lisa einem künstlerischen Lifting unterzogen“, schrieb die Zeitung "El País“.

Die Kopie ist nach Angaben der Prado-Experten auch besser erhalten als das Original. "Sie lädt dazu ein, das Original mit anderen Augen zu betrachten“, sagte Miguel Falomir, Leiter der Abteilung für italienische Malerei des Madrider Museums. Sie werde es den Kunstexperten ermöglichen, neue Erkenntnisse über die Entstehung des Werkes von Da Vinci zu gewinnen.

Ende März soll es zu einem Zusammentreffen der "Zwillingsschwestern" kommen. Die Kopie wird dann nach Abschluss der Restauration nach Paris gebracht und dort bis Juni im Louvre ausgestellt. (dpa)