Der Südtiroler Karl Unterkircher hat im Basislager der Gruppe ein Tagebuch im Internet geführt. Der letzte Eintrag stammt vom 13. Juli. Zwei Tage später stürzt der erfahrene Bergsteiger ab. Wir geben den Beitrag leicht gekürzt im Original wieder:

Es ist der 13. Juli, ich liege in meinem Zelt und versuche ein Buch zu lesen. Aber ich kann mich nicht konzentrieren denn wie besessen haftet der Gedanke an diese Wand, diese Rakhiot Wand. Diese verwunschene zerklüftete Eiswand mit den vielen Gletscherspalten ...

Als wir vor einem Monat am Basislager ankamen hat mir die Rakhiot Wand Furcht eingeflößt ... Angst und Kopfzerbrechen bereiten mir aber die Eisklumpen, die sich ständig von der zerklüfteten Eiswand lösen ... Diese trotzige Teufelswand ließ mich schon am ersten Tag unserer Ankunft nicht in Ruhe, sie macht mich unschlüssig und skeptisch. Es ist wahrhaftig eine gefährliche Mission! Wahrscheinlich werden wir die Wand überfallen wie die Frontkämpfer im ersten Weltkrieg. Aber statt mit Waffen sind wir mit Pickel und Steigeisen ausgerüstet.

Wir müssen mit großer Vorsicht vorgehen und die weniger gefährliche Linie verfolgen ... Schon seit einer Woche beobachten wir täglich jede Veränderung. Sie scheint uns den Weg zum mittleren Pfeiler verweigern zu wollen. Wie wir den Aufstieg wohl in Angriff nehmen werden, bleibt wohl ein Rätsel ...

Trotz der eindeutigen Gefahren sind auch Walter und Simon motiviert und überzeugt, den Berg zu bezwingen. In meinem Verantwortungsbewusstsein empfinde ich so etwas wie Furcht, ich denke oft an zu Hause, an meine Lieben. Das Beste um sicher zu gehen und Unvorhergesehenes zu verhindern, wäre natürlich von diesem Projekt auszusteigen. Einige Tage vor der Abreise zu dieser Expedition bin ich beim Verlassen eines Kaffees über eine Blumenvase gestolpert. Sie lag auf dem Bordstein einer niedrigen Mauer und diente als Abtrennung zur Hauptstraße. Ich hatte nur die Sandalen an und kippte vornüber. Mein Knie schlug hart auf das Asphalt und bereitete mir höllische Schmerzen ...

Der Barist, ein guter Freund von mir, kam schnell auf mich zu und fragte nach meinem Befinden. Ich war außer Atem, ich konnte nicht mehr sprechen. Wahrscheinlich hat er sich gedacht: "er will 8000er besteigen und kann nicht mal auf 1500 m stehen" ...

Morgen früh werden wir aufbrechen, zuerst die Moräne hochsteigend ... Dann werden wir warten, bis es dunkel wird, tagsüber ist es zu heiß. Wenn es nicht bewölkt ist, dürfte uns der Mond etwas helfen. Die mittlere, zerklüftete Eiswand muss dann "brav" sein für 8 bis 10 Stunden, wir werden doch nicht zuviel verlangen? Über eine Schneerippe werden wir dann zum Felsen kommen. Dieser dürfte keine Probleme bereiten. Wenn wir dann am Dienstag über "unserer" mittleren Eiswand stehen, haben wir es geschafft. Dann sind wir dran. Dann müssen wir die Wand mit Ausdauer und Geschicklichkeit hochklettern. Und wenn wir die Hochebene erreicht haben, dann zielen wir dem Gipfel zu ...

Unser Begleitoffizier schlägt uns vor, über die "normale" Diamir Wand abzufahren. "Wer weiß" habe ich ihm geantwortet, "alles hängt von vielen Faktoren ab." Inshallah!! (wie Gott will).

Herzliche Grüße von Karl Unterkircher, Walter Nones und Simon Kehrer.

www.karlunterkircher.com