Die Fernsteuerung für die Tür zum Verlies nahm er immer mit. Für die Außenwelt spann er ein Netz aus Lügen.

Amstetten. Die Kleinstadt Amstetten rund 100 Kilometer westlich Wiens steht unter Schock. Es sei unvorstellbar, was sich wenige Meter von ihrem Wohnhaus entfernt abgespielt hat, sagt eine Anwohnerin. Die ganze Stadt sei "sprachlos". Nachbarn zeichnen das Bild einer intakten Familie. Josef F. sei doch immer höflich und hilfsbereit und in gesellschaftlichen Runden ein gern gesehener Gast gewesen. Um seine heute erwachsenen sieben Kinder mit seiner Frau Rosemarie habe er sich gut gekümmert.

Tatsächlich hielt Josef F. seine Tochter Elisabeth seit deren 18. Lebensjahr in einem 60 Quadratmeter kleinen Verlies gefangen, das er im Keller des eigenen Hauses eingerichtet hatte. Laufend hat er sie dort missbraucht. Sieben Kinder brachte sie in dem Verlies zur Welt. Eines starb kurz nach der Geburt.

Irgendwann vor 1984 muss sich der gelernte Elektriker, der in einer Firma für Baumaterialien arbeitete, seinen heimtückischen Plan ausgedacht haben. In dem Jahr zerrte er seine Tochter in den Keller. Dort hatte sie zunächst einen Raum mit Sanitäreinrichtungen zur Verfügung, so die Polizei. Im Laufe der Zeit dürften Durchbrüche und Anbauten hinzugekommen sein.

Der Polizei machte F. glaubhaft, Elisabeth habe sich einer Sekte angeschlossen. Dazu zwang er sie, Briefe zu schreiben, in denen sie darum bat, von einer Suche nach ihr abzusehen.

Als autoritärer Vater verbot er seiner Familie, den Keller zu betreten. Es sei seine Werkstatt! F. begab sich aber jeden Abend in den Keller und brachte seiner Tochter und den später dort lebenden Kindern Kleidung und Essen. Die Mär von der verschwundenen Tochter spann er mit der Geburt der durch Inzest gezeugten Kinder immer weiter. Drei Babys soll Elisabeth zwischen 1993 und 1996 vor die Haustür ihrer Eltern gelegt haben. F. ließ sie jeweils einen Brief schreiben wie diesen: "Das Baby ist neun Monate alt. Es soll bei seiner Großmutter und seinem Großvater ein besseres Leben haben als bei mir." Damit erschlich sich Josef F. das Sorgerecht. Die zwei Mädchen und ein Junge wurden zur Schule angemeldet. Ein Klassenkamerad sagte, dass die Schüler von der verschwundenen Mutter der drei gewusst hätten. Darüber habe jedoch niemand gesprochen, weil die Großmutter es so gefordert habe, sagt der Schüler. Die eingesperrten Opfer hatten nach Ansicht der Polizei keine Chance zur Flucht, Josef F. habe immer die Fernsteuerung der mit einem Code elektronisch gesicherten Tür mitgenommen. Ihr einziger Kontakt zur Außenwelt waren ein Radio und ein Fernseher.

Als aber vor über einer Woche seine Tochter Kerstin, im Inzest gezeugt, in dem Verlies zusammenbrach, ließ er sich von Elisabeth überzeugen: Kerstin muss ins Krankenhaus. Er brachte das Kind in seine Wohnung und rief den Notarzt. Erneut ließ er Elisabeth in einem Brief aufschreiben, dass sie sich leider nicht um ihr Kind kümmern könne.

Doch die Ärzte waren ratlos und suchten in einer TV-Sendung nach der Mutter. Elisabeth sah die Sendung und wusste: Nur sie allein kann den Ärzten sagen, woran ihr Kind erkrankt ist. Josef F. ließ sich aus unerklärlichen Gründen erneut überreden. Er fuhr mit seiner Tochter ins Krankenhaus, wo Kerstin F. mit dem Tode rang. Nach längeren Gesprächen mit den Behörden legte sie ihr ganzes Martyrium offen. Da entließ F. seine beiden Söhne aus dem Verlies und erklärte seiner Frau: "Unsere Tochter ist zurückgekehrt."