In Afrika können schon 20 bis 30 Euro helfen, einen Menschen vor der Blindheit zu bewahren.

Hamburg/Nkongsamba. Kinder, sechs, sieben Jahre alt und älter, Mütter, Väter, Greise sitzen auf Holzbänken, mehr als 100 Patienten. Manche erkennen nur noch Umrisse. Nur hell oder dunkel. Viele von ihnen leiden unter grauem Star, die Linse in ihren Augen ist getrübt. Wenn nichts geschieht, erblinden sie irgendwann. Hier nun suchen sie Hilfe. Dafür warten sie geduldig, meist seit der Morgendämmerung, in sengender Hitze - Alltag in der Augenklinik St. Mathieu der deutschen Augenärztin Dr. Elisabeth Herz aus Darmstadt und ihren Helfern in Nkongsamba in Kamerun.

Kleine Wunder werden dort vollbracht, Tag für Tag, fernab der westlichen Zivilisation: Augentropfen geben, künstliche Augen einsetzen, dafür sorgen, dass Menschen nicht erblinden - mit einem einfachen Eingriff beim grauem Star. Er kostet 20 bis 30 Euro und bewirkt viel.

So wie bei Kevin Laure, die gerade behandelt wird. Das Mädchen ist örtlich betäubt. Die Sechsjährige leidet am grauen Star. Sie verzieht keine Miene, als sie operiert wird. Eine sogenannte Katarakt-Operation, eigentlich Routine. Aber hier, im fernen Afrika, ist alles anders. Es wird improvisiert. Der Ort: ein Steinhaus. Unten ist ein kleiner OP-Saal, gekachelt, steril. Gebrauchte, aber immer noch funktionsfähige Geräte gibt es dort, Spenden aus Deutschland.

Elisabeth Herz operiert, die Hamburger Kollegin Dr. Hanne Urban-Pauer (54) assistiert: Die Augenärztin aus der Hansestadt arbeitet drei Wochen lang in der Busch-Klinik mit. Die getrübte Linse wird vorsichtig entfernt, eine Kunstlinse dafür eingesetzt. 20 Minuten dauert die Operation. Bei Kevin Laure geht alles gut. Nach einem Tag kann sie wieder besser sehen, von nun an jeden Tag ein wenig mehr - ein Wunder für ein paar Euro.

"Solche Momente gehen einem schon unter die Haut", sagt Hanne Urban-Pauer. "Der graue Star ist die häufigste Erblindungsursache auf der Welt." Von den 37 Millionen blinden Menschen, die es auf der Welt gibt, sind 20 Millionen erblindet durch grauen Star. "90 Prozent dieser Menschen kommen aus den Entwicklungsländern. 60 Prozent davon sind beziehungsweise wären heilbar. Arme leiden unnötigerweise unter Blindheit."

Hanne Urban-Pauer lebt weit weg von Afrika, in Hamburg-Rissen in einem großen Haus mit einem großen Garten. Sie hat sechs Kinder und einen Mann, Chef einer hochmodernen Augenpraxis. Auch sie arbeitet als Augenärztin. Sie segelt gerne, spielt Golf, kümmert sich um ihre Kinder. Aber eines Tages wollte sie "ausbrechen aus dem Alltag. Etwas anderes tun, sich sozial betätigen, ganz woanders."

Dr. Elisabeth Herz war ihr flüchtig bekannt - kurz entschlossen nahm sie im Sommer Kontakt zu ihr auf. Und durfte kommen. "Mir blieb gerade noch Zeit, eine sechsfache Impfung über mich ergehen zu lassen und mein Visum zu beantragen." Vieles galt es zu organisieren. In Blankenese und anderswo sammelte sie Brillen, Medikamente, Linsen, Nützliches für ihren Auslands-Einsatz, das Kamerun-Abenteuer. "Die Spendenbereitschaft der Hamburger war sehr groß, das hat mich wahnsinnig gefreut."

Wochen später sitzt sie im Flieger - und viele Stunden später im Jeep. In Nkongsamba, einer 150 000-Einwohner-Stadt im tropischen Hochland der Provinz Littoral, wohnt sie nun in einem Haus neben der Klinik. Im Dachboden, spartanisch eingerichtet. "Das Luxusentwöhnen geht schnell", notiert sie in ihr Tagebuch. "Die Tür unten war verriegelt, ein Wächter namens Richard stand nachts vor dem Haus."

15 Mitarbeiter gehören zur Klinik, die Elisabeth Herz 2003 gegründet hat: Krankenpfleger, Optiker, Verwaltungsangestellte, Wächter. Und natürlich Elisabeth Herz. Sie ist um die 70 Jahre alt, ihr genaues Alter mag sie nicht sagen. Nach Einsätzen in Vietnam und Kambodscha arbeitete die Augenärztin mehr als 20 Jahre in der Christoffel Blindenmission CBM in Acha Tuga und später in Bafoussam in Kamerun. Nach ihrer Pensionierung begann sie, in Nkongsamba eine Augenklinik aufzubauen, mit Hilfe der Nichtregierungsorganisation "Friends of Eye Clinic St. Mathieu".

Elisabeth Herz sammelte Spenden, suchte Sponsoren - auch die Deutsche Hilfsorganisation "afrika action/Deutschland" unterstützt heute die Mathieu-Klinik, mit Geld und Sachspenden. Werkstätten, in denen Brillen und Augentropfen produziert werden, gehören ebenso dazu wie ein Bettenhaus. "Dort bleiben die Patienten nach ihren Operationen bis zu einer Woche zusammen mit ihren Angehörigen, die sie versorgen, wie das überall in Kliniken in Afrika üblich ist", berichtet Hanne Urban-Pauer. Elisabeth Herz wurde mehrfach ausgezeichnet für ihr Engagement für die Ärmsten der Armen, so 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz. Viel eigenes Geld hat sie in die Klinik gesteckt, Freunde von ihr taten es auch.

Die meiste Zeit ist Augenärztin Herz im Busch unterwegs, wenn sie zu den 16 Außenstationen der Klinik fährt. "Wenn wir im Busch ankamen, wurden wir jedes Mal begeistert empfangen", berichtet Hanne Urban-Pauer. Auch dort spielten sich oft Dramen ab. Einmal sei eine Frau dabei gewesen, vielleicht Mitte 30, die nach einem Unfall ihr rechtes Auge verloren hatte. "Wir haben geschaut, ob wir eine passende Prothese hatten. Sie passte nicht hundertprozentig, aber es war besser, als gar nichts zu machen. Wir haben sie ihr eingesetzt. Sie hat sich so gefreut, es war unbeschreiblich."

Oder: Ein kleiner Junge. Beim Spielen im Busch hatte er einen Pfeil ins Auge bekommen. "Ihm ging es sehr schlecht, das verletzte Auge war hier nicht mehr zu retten. In Deutschland hätte man das Kind sofort in eine Klinik einweisen müssen." Aber hier, im Busch, "da konnten wir nur Antibiotika geben, die einzige Möglichkeit, dass das Kind überlebt."

Wenn die Patienten können, bezahlen sie. Viele haben lange gespart, Familienangehörige haben gesammelt. Viele der Augenschäden entstehen durch Stichverletzungen mit Dornen, bei der Arbeit oder beim Spielen. "Oft sind die Augen schwer geschädigt, durch mangelnde Versorgung kann das bis zur Blindheit führen. Meist kann man auch gar nichts oder nur wenig machen, weil die Mittel für die jeweilige Behandlung fehlen, das ist dann schon frustrierend", sagt Hanne Urban-Pauer.

Sie fährt ihren PC herunter, in dem sie eben noch die Bilder von ihrem Kamerun-Einsatz gezeigt hat: die Operationen, die Kinder und Mütter, die auf ihre Behandlungen warten, auf die Hilfe der Doktoren aus Deutschland. "Geblieben sind mir neben der Erfahrung auf dem Gebiet der Medizin der Dritten Welt eine Menge auch sehr guter afrikanischer Freunde, sogar eine Hochzeitseinladung - und der Wunsch, möglichst bald wieder dorthin fahren zu können." In der Klinik fehlen dringend Linsen, Medikamente und OP-Geräte. Sehr wichtig wäre dort ein sogenannter YAG-Laser: Damit kann man Augen lasern, zum Beispiel den Augendruck senken, ohne operativ eingreifen zu müssen - Gaben für die Wunder in Nkongsamba, den Kampf gegen die Blindheit.

So können Sie effektiv helfen: Geldspenden bitte an: "Africa action/Deutschland e. V., (hat offizielles Spendensiegel), Volksbank Erft, Spendenkonto Nr. 130 166 3010, Bankleitzahl 370 692 52, unbedingt Stichwort angeben: "Dr. Herz/Augenklinik Nkongsamba, Kamerun".