Anwalt warnt vor virtuellen Porno-Partys. Millionen Nutzer betroffen. Bekommt das Onlinespiel eine “Cyberpolizei“?

Hamburg. Pornografie und sexuelle Belästigung sind auch in virtuellen Welten strafrechtlich relevant, so auch in "Second Life", der boomenden Parallelwelt im Internet mit fast fünf Millionen Nutzern. Die schöne Scheinwelt wird von immer mehr Besuchern dazu genutzt, Triebe auszuleben, die sie im wahren Leben offenbar unterdrücken müssen. Das Abendblatt sprach mit dem Hamburger Rechtsanwalt Stephan Mathe, der auf Computerspiele spezialisiert ist. Er sagt: "Die Online-Community ist kein rechtsfreier Raum. Es gab schon viele Anfragen von besorgten Eltern. Viele Leute haben in ,Second Life' etwas beobachtet, das sie als anstößig empfunden haben. Allerdings gehen die Ansichten darüber, was anstößig ist und was nicht, naturgemäß weit auseinander."

Beispiel: Eine Bikini-Schönheit, die sich mit einem Waschbär-Avatar unterhalte, sei noch lange keine Tierpornografie. Tatsächlich erfüllt das meiste von dem, was in "Second Life" zu sehen ist, eher den Tatbestand der unfreiwilligen Komik als der Unsittlichkeit. Auf einschlägigen Partys treffen sich staksige und schlecht animierte Spielfiguren (die so genannten Avatare) zum "Cybersex" - mechanisierte Bewegungen, die in den meisten erwachsenen Beobachtern wohl eher Belustigung als moralische Entrüstung auslösen.

Etwas ganz anders sind hingegen reale pornografische Fotografien, die in den "virtuellen Swingerclubs" an die Wände projiziert werden. Denn hinter den Avataren in "Second Life" verbergen sich nicht selten auch Kinder. Und hier ist das Gesetz eindeutig: "Wer pornografische Schriften öffentlich an einem Ort, der Personen unter 18 Jahren zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann ( . . .) anbietet, ankündigt oder anpreist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft", heißt es in Paragraf 184 des Strafgesetzbuchs (StGB). Und zu solchen "Schriften" gehören eben auch Abbildungen in Online-Spielen und im Internet. Hinzu kommt, dass findige Programmierer die sonst eher detailarme Cyberwelt mit wenig Aufwand manipulieren und die Avatare beispielsweise mit eindeutigen Geschlechtsmerkmalen versehen können. Problematisch ist auch, dass manche der Spielfiguren in tierischer Gestalt auftreten oder Kindern ähneln. Mathe warnt davor, die offenbar zunehmenden anstößigen Umtriebe zu bagatellisieren: "Pornografische Darstellungen mit Tieren sind grundsätzlich verboten. Und werden Kinder als Akteure sexueller Darstellung benutzt, sieht der Gesetzgeber sogar Freiheitsstrafen von bis fünf Jahren vor." Eltern rät Mathe aber davon ab, ihren Kindern die Einreise in die virtuelle Welt grundsätzlich zu verbieten. "Sie sollten im Dialog mit ihren Kindern bleiben und weder Internet noch Computerspiele unter Generalverdacht stellen." Aber auch einige verärgerte "Bewohner" von "Second Life" meldeten sich zu Wort. Nicht wenige sehen ihr Hobby einer Schmutzkampagne ausgesetzt und verteidigen ihr Recht, zumindest im Cyberspace tun und lassen zu können, wonach ihnen gerade der Sinn steht. Mathe: "Es wäre allerdings zu begrüßen, wenn sich die Behörden mit solcherlei Thematiken konstruktiv auseinandersetzen würden." Braucht die virtuelle Welt eine virtuelle Polizei? Der Betreiber von "Second Life", die US-Firma Linden Lab tut (noch) nichts, um gegen Missbräuche wie Gewalt oder sexuelle Übergriffe vorzugehen.