Annabell ist ein glucksender Wonneproppen, 10 Monate alt. Ihre Mutter Karin liebt es, ihre Tochter in rosa Kleidchen und rosa Mützchen zu verpacken. Sie will alles tun, damit Annabell eine hübsche, emanzipierte, selbstbewusste und erfolgreiche Frau wird. Deshalb spricht sie auch mit ihrer Tochter englisch. Niemand in der Familie kommt aus einem angelsächsischen Land, aber Vater und Mutter unterhalten sich englisch, damit Annabell, wie sie hoffen, zweisprachig aufwächst und es später im Leben einfacher hat. Andere Eltern singen ihren Kleinkindern aus demselben Grund französische oder spanische Kinderlieder vor. Der Ruf nach früher Förderung ertönt in vielen Sprachen, allen voran in Japan und den Vereinigten Staaten. Auch hierzulande dürfe man nichts versäumen, was das Baby klüger machen könne, behaupten Medien, Werbeindustrie und Bildungspolitiker. In einer erfolgsorientierten Gesellschaft fängt Leistungsdruck schon in den Windeln an. Eltern hoffen, dass frühe Förderung später soziale Absicherung und Erfolg garantiere, wollen rechtzeitig die Weichen stellen. Das aber schränkt die Möglichkeiten der Babys in ihrer persönlichen Entfaltung ein. Babys sind nicht steuerbar wie Computer, sie haben ein deutliches Gespür für Freiheit und ungekünstelte Umgebung. Mimik, Gestik, Tonfall der Eltern wirken stärker als Worte. Doch wenn Kinder auf Wunsch ihrer Eltern etwas können sollen, das in ihrer Umgebung erst umständlich "hergestellt" werden muss, bleiben die gewünschten Resultate aus.