Er führt die Justiz an der Nase herum. Gerichts-Gutachter bescheinigt dem Triebtäter “seelische Abartigkeit“.

Dresden. Er spielt mit der Justiz Katz und Maus. Erst seine Flucht auf das Gefängnisdach, jetzt stellte sich Mario M. (36) in seiner Zelle krank. "Er hat einen kritischen Gesundheitszustand simuliert", sagte Martin Marx, Sprecher des sächsischen Justizministeriums. Was war geschehen? Ein Gefängniswärter hatte bei seiner stündlichen Routinekontrolle den vorbestraften Triebtäter am Sonnabend 18.45 Uhr in seiner Zelle mit "hochrotem Kopf" entdeckt. Er keuchte nur noch. Es wurde sofort ein Notarzt alarmiert. Der Mediziner stellte eine Hyperventilation (beschleunigte Atmung) fest. Marx: "Das hat der Angeklagte selbst herbeigeführt." Hinweise auf eine Verletzung oder Tablettenmissbrauch habe der Notarzt nicht erkennen können. Auch von einem Selbstmordversuch könne man nicht sprechen. "Der Mann ist bei bester Gesundheit", sagte Marx. "Er hat einfach die Luft angehalten." Der Peiniger der 14-jährigen Stephanie, der das Mädchen in seiner Dresdner Wohnung wochenlang quälte und vergewaltigte, versucht offenbar mit allen Mitteln, den Prozess vor dem Dresdner Landgericht zum Platzen zu bringen. Oder wollte er ins Krankenhaus verlegt werden, um von dort leichter fliehen zu können?

"Es wird ihm mit seinen Aktionen nicht gelingen, sich einem gerechten Verfahren und einer gerechten Bestrafung zu entziehen", sagte Marx.

Stephanies Rechtsanwalt Thomas Kämmer sagte gestern dem Fernsehsender N24: "Stephanie saß gestern zu Hause am Frühstückstisch und zitterte am ganzen Leib, als sie von dem neuen Zwischenfall hörte. Sie wagt sich kaum noch aus dem Haus. Sie hat Angst, dass ihr Peiniger tatsächlich ausbricht und sie tötet, wie er es ihr immer wieder angedroht hat."

Das Magazin "Focus" berichtet unter Berufung auf das vorläufige psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Hans-Ludwig Kröber, dass Mario M. an einer "schweren Persönlichkeitsstörung" leide. Diese habe den Rang einer "seelischen Abartigkeit". Der arbeitslose Anlagenmonteur sei aber "überdurchschnittlich" intelligent. Sein Intelligenzquotient (IQ) beträgt 138. Sein Verteidiger Andreas Boine: Die Persönlichkeitsstörung sei dafür verantwortlich, "dass ein außergewöhnlich intelligenter und sensibler junger Mann zu einem Menschen geworden" sei, der eine "solche schwere Straftat" begehe. Wegen der seelischen Beeinträchtigung habe sich sein Mandant "mental und emotional von seinen Mitmenschen und ihren Werten entfernt".

Ein Kindheitstrauma von Mario M. könne dafür die Ursache sein. Boine: "Ab dem Alter von drei Jahren war er stark entstellt durch ein Furunkel auf der Nase. Sein Nasenrücken war komplett zerstört." Unter seiner "platten Boxernase" habe der Angeklagte bis in seine Jugend gelitten und "eine starke Stigmatisierung erlebt".

Jetzt wurden die Sicherheitsvorkehrungen im Gefängnis für Mario M. noch einmal verschärft. Künftig sitzt ständig ein Aufseher vor der Zelle. Zum Essen gibt es nur noch Plastikbesteck. Der Hofgang war bereits nach seiner Klettertour auf das Dach der Justizvollzugsanstalt gestrichen worden. Dass es für Mario M. nicht schon zum Prozessauftakt am vergangenen Montag, wo er sich auf die Staatsanwältin stürzen wollte, härtere Haftbedingungen gab, war auf die Untersuchung eines Psychologen zurückzuführen. Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) zur "Bild am Sonntag": "Der Psychologe kam zu dem Ergebnis, dass keine erhöhte Gefahr von dem Angeklagten ausgeht und keine strengeren Sicherheitsmaßnahmen nötig sind." Der Prozess wird am 21. November fortgesetzt.