Hamburg. Es ist, ich weiß schon, immer ein wenig problematisch, nicht ungefährlich, im Zusammenhang mit peinlichen, ja peinigenden Pannen der Justiz, des Strafvollzugs, der polizeilichen Fahndung den "gesunden Menschenverstand" oder gar das sogenannte gesunde Empfinden zu bemühen. Zu schnell sind da die falschen Assoziationen von der Selbstjustiz, der Rache bei der Hand. Man hört dann schnell "Auf ewig wegsperren!" oder gar "Kurzen Prozess" machen! - alles Emotionen unbefriedigter Rachegelüste, gegen die wir Gott sei Dank unseren Rechtsstaat aufgebaut haben. So!

Trotzdem konnte ich mich einer Reaktion gesunden Menschenverstandes nicht erwehren, als ich im Fall Mario M. las, der Macho-Selbstdarsteller und Stephanie-Peiniger konnte 20 Stunden auf dem Dach der Justiz auf der Nase herumtanzen, ja, sie gab ihm sogar Decken und Tee, damit der Arme sein Opfer noch länger quälen, die Justiz noch länger lächerlich machen konnte. Er hätte sich ja sonst was antun können, der Arme, zumindest schrecklich frieren! Da habe ich mir - das ist die Spontangeste des gesunden Menschenverstandes - an den Kopf gefasst und gedacht: Sind die noch zu retten?

Warum lassen die ihn nicht vor Kälte schlottern, bis er aufgibt! Und warum stillen die seinen Durst, damit er seinen Selbstdarstellungsrausch auf Kosten Stephanies stillen kann!

Denn was sich da so human gebärdete, war inhuman im höchsten Maße gegen das Mädchen, gegen das Opfer. Hatte nicht eine Polizeipanne grotesker Art dazu geführt, dass sie überhaupt dem Quäler so lange in Todesgefahr ausgeliefert war? Und hatte der sie nicht bedroht, er würde, wenn er freikäme, sie jagen und seinen Hunden zum Fraß vorwerfen! War das nicht auf einmal, als er auf dem Dach machohaft posierte, von servilen Beamten als hilflosen Statisten umgeben, wieder eine sehr handfeste, reale Drohung? Und wenn er gesprungen wäre? Dann wäre wenigstens auch die Angst des Opfers gesprungen, zersprungen.

So jedoch hat sich der Staat, sich die Justiz geradezu tödlich blamiert. Und statt Konsequenzen und Rücktritten gibt es nur ein bürokratisches Gelaber.

Und was bleibt, ist die Angst des Opfers. Sagt mir mein Menschenverstand, den die wahnwitzige Dresdner Justiz zum gesunden mutiert hat. Hoffentlich nur vorübergehend.