Abgaben: Schon wieder wollen die Regierenden mehr Geld vom Bürger - wie sie es seit viereinhalbtausend Jahren tun. Fenster, Gartenvögel, Bordellbesuche - nichts, was nicht schon besteuert wurde. Eine Kulturgeschichte der Raffkunst und der Vermeidungstaktiken.

Hamburg. Der ganze Ärger fing mit Sargon an: Der erste Weltherrscher der Geschichte raubte sich um 2450 v. Chr. aus dem heutigen Irak, Iran, Syrien und Arabien ein Großreich zusammen und drückte die Kriegskosten auf seine treuen Untertanen ab. "Du kannst einen Fürsten lieben, du kannst einen König lieben", konstatiert ein Keilschrifttext, "aber der Mann, den du fürchten mußt, ist der Steuereintreiber."

Viereinhalb Jahrtausende später bedrücken die Deutschen ähnliche Gefühle: Mit immer neuen Steuererhöhungen ziehen Kanzlerin und Kabinett dem Volk das Geld aus der Tasche, von manchem sauer verdienten Euro bleiben nach allerlei Lohn- und Verbrauchssteuern kaum noch zwanzig Cent.

Als Steuer, lehrt das Lexikon, wird eine Geldleistung bezeichnet, die ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen Personen auferlegt, die einen steuerlichen Sachverhalt verwirklichen. Sie sind die Haupteinnahmequelle eines modernen Staates und das wichtigste Instrument zur Finanzierung staatlicher Aufgaben.

Steuern, weiß hingegen die Erfahrung, sind vor allem eine Frucht herrscherlichen Erfindungsreichtums, Untertanen auferlegt, die sich ihrerseits alles Erdenkliche einfallen lassen, ihr Geld zu retten. Der Adel besteuerte das Volk nicht etwa nach dessen Bedürfnissen, sondern stets zur eigenen Wohlfahrt. Der Politiker wiederum finanziert die Wohltaten, für die ihn der Wähler belohnen soll, aus dessen eigener Tasche. Im Spannungsfeld von Bedarf und Betrug, Steuergerechtigkeit und Steuerlüge, obrigkeitlicher Raffkunst und untertäniger Verschleierungstaktik entwickelte sich durch die Jahrtausende ein fiskalisches Ungeheuer, dem gleich einer Hydra für jeden abgeschafften Zwangszins zwei neue nachwachsen.

Die allerersten Steuerbescheide verschickten Beamte bereits, noch ehe das Geld erfunden war. In Babylon nahm ein "Schatzhaus" im Auftrag von Palast und Priesterschaft den Bauern das Korn scheffel- und das Vieh schafweise ab und kreierte dafür eine eigene Keilschriftrechenkunst, der die moderne Mathematik ihren Ursprung dankt: Die Tempelschreiber stilisierten Tierköpfe und -körper auf ihren Tontafeln zu Lettern und Zahlen.

Auch im alten Ägypten legte der Fiskus die Fundamente zur Hochkultur. Die Pharaonen berechneten die Steuerschuld der Bauern mit dem Nilometer, dessen Pegelsäule den Wasserstand und damit die zu erwartende Ernte zeigte: "Zwölf Ellen bedeuten Hunger", berichtete der römische Naturforscher Plinius, "dreizehn Genügen, vierzehn Freude, fünfzehn Sicherheit und sechzehn Überfluß" - alles darüber war von Übel, denn dann wurde aus der segensreichen Überschwemmung die katastrophale Überflutung. Kaum weniger gewiß war eine Steuer vorherzusagen, die nicht Geld, sondern Arbeitskraft eintrieb: Nach dem griechischen Historiker Herodot mußten je 100 000 Ägypter drei Monate lang an den Pyramiden schuften. Den Säumigen drohten nicht nur Prügel, der Pharao Sethos I. etwa ließ ihnen Nasen und Ohren abschneiden.

Die Römer verfeinerten den Fiskus in anrüchiger Weise, Kaiser Vespasians Wort "Geld stinkt nicht" über die Toilettensteuer bekam Flügel. Unter den Cäsaren wurde aus dem Finanz- ein Unternehmerberuf, Steuerpächter übernahmen ganze Provinzen und plünderten sie gründlich aus. Immerhin dankt Bethlehem einer Steueraktion die Geburt des Erlösers, denn Maria und Josef hatten sich aus Nazareth dorthin zu begeben, um ihr Vermögen schätzen zu lassen. Vom Finanzamt erlöst wurde jedoch nur der Gläubige, der Jesu Rat befolgte, seinen Reichtum unter die Armen zu verteilen. Die anderen erhielten selbst vom Gottessohn nur eine Zahlungsaufforderung: "So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist."

Zuweilen fiel der Mißbrauch der göttlichen Mahnung auf Gottesdiener zurück: Im Frankreich des 6. Jahrhunderts drangsalierten Beamte des Merowingerkönigs Chilperich die Bevölkerung, bis eine erboste Menge zu Limoges die Steuerbücher verbrannte. Anschließend meuchelte der Mob die Eintreiber und pfählte einen Abt. Der "Zehnte", den Karl der Große im Jahr 770 seinen Völkern verordnete, klingt noch in modernen Ohren wie ein Inbegriff rücksichtsloser Ausbeutung, dabei bedeutet er nichts anderes, als daß Steuerpflichtige zehn Prozent ihrer Erträge abliefern mußten - heute wäre mancher über solche Sätze froh.

Begründet wurde der Appetit der Finanzämter schon im Frühmittelalter mit Gemeinschaftsaufgaben wie Verwaltung oder Verteidigung, aber schon damals zahlten die Mächtigen mit dem Geld der Ohnmächtigen im Krieg Ruhm und Ehre und im Frieden Saus und Braus. Die Sünde verpraßte das von den Untertanen sauer erschwitzte Gut für Mähler und Mätressen, die Eitelkeit verpulverte es für Schmuck und Schlösser, der Ehrgeiz verplemperte es für Flotten und Fahnen. Das Wort "Steuer" kommt vom althochdeutschen "stiura", was so viel wie "Stütze" heißt, also zur Unterstützung, Hilfe oder Beihilfe verwendet werden sollte. Das wird es auch noch heute - allerdings häufig zugunsten anderer Adressaten: Statt der Bedürftigen profitiert die Bürokratie, statt der Sozialleistungen steigen die Diäten, statt drängender Reparatur wird überflüssige Repräsentation finanziert, und statt des Gemeinsinns gedeiht die Gefräßigkeit des Gebührenstaats.

Schon im Jahr 1274 nannte Thomas von Aquin die Steuer "legalen Raub". Zeitgenossen und Nachgeborenen blieb nichts übrig, als sich mit Schläue zu wehren. Weil die Bewohner Apuliens nach der Breite ihrer Dächer veranlagt wurden, bauten sie runde Häuser. Weil Frankreich die Steuer nach der Zahl der Fenster berechnete, blicken bis heute viele Häuser nach der Gartenseite und nicht zur Straße, wo die Fahnder der Finanzverwaltung patrouillierten. Englische Bauern ernteten, um den "Zehnten" zu sparen, bei Nacht. Wo List nicht half, griff Gewalt, zuweilen mit unverhoffter Wirkung: 1773 warfen amerikanische Teetrinker aus Protest gegen britische Abgaben die Importballen ins Hafenbecken, die "Boston Tea Party" wurde zur Geburtsstunde der US-Unabhängigkeit.

Wer Fleißige schröpfen will, darf nicht faul sein. Regenten und Regierende beschaffen sich immer neue Mittel mit immer neuen Mitteln. Kaiser Otto IV. ließ in Freudenhäusern eine Minnesteuer kassieren. Untertanen feudalistischer Fürsten mußten eine Rebellionssteuer zahlen, wenn sie die Konfession des Landesherrn nicht teilten. Schwaben nutzte im 18. Jahrhundert eine Schädlingsplage zu einer Spatzensteuer: Wer nicht mindestens zwölf Vögel fing und vorzeigte, zahlte zwölf Kreuzer. Zar Peter der Große führte 1699 eine Gesichtsbehaarungssteuer ein: Wer sich ohne die kupferne Bartmarke erwischen ließ, wurde zwangsbalbiert. Die Preußen des Großen Kurfürsten zahlten eine Bettensteuer, damit ihre Söhne als Soldaten nicht ohne Kissen und Laken schlafen mußten. In Hessen blechten Vogelfreunde eine Nachtigallensteuer von fünf Gulden jährlich. Der "Alte Fritz" kassierte eine Kaffeesteuer von acht Silbergroschen pro Pfund; staatlich geprüfte Kaffeeriecher kontrollierten, ob die Untertanen etwa Unversteuertes genossen. Wenn Fürsten heirateten oder Kinder zeugten, zahlte das Volk Heimführungs- und Windelsteuer. Es gab eine Junggesellensteuer für Unverheiratete, eine Laternensteuer für Spätheimkehrer und eine Luftsäulensteuer für vorgebaute Erker.

Die Petroleumsteuer kam 1879, lange bevor das Auto erfunden war. Die Schaumweinsteuer, die Kaiser Wilhelm II. 1902 zur Finanzierung seiner Kriegsflotte ersann, blieb bis heute in Kraft, obwohl die Schlachtschiffe längst auf dem Meeresgrund modern. Die wahren Steuermonster aber gebar erst unsere Zeit: die Mehrwert- und die Mehrfachsteuer. Die eine steigt Anfang nächsten Jahres auf 19 Prozent, die andere greift doppelt ins Portemonnaie: als Lohnsteuer, ehe das schwer verdiente Geld überhaupt eingeht - und dann noch mindestens einmal, gleich ob man es ausgibt (Verbrauchssteuer), spart (Zinssteuer) oder vererbt (Erbschaftssteuer). Abgeschafft wurden unter anderem 1971 die Speiseeissteuer, 1980 die Spielkartensteuer und 1981 die Essigsäuresteuer - aber nur, weil der Aufwand für die Eintreiber größer wurde als der Ertrag.