Amoklauf: Der Schulleiter über den Messerstecher von Berlin. Mal “nett und höflich“, mal mit Messer in der Klasse. Er hatte sogar schon ein Antigewalttraining absolviert.

Berlin. Was trieb Mike P. (16) dazu, binnen 16 Minuten 36 Menschen mit einem Messer zu verletzen? Der blutige Amoklauf am Rande der Eröffnung des Berliner Hauptbahnhofs hat an seiner Schule Entsetzen ausgelöst. Olaf Garcke, Leiter der Johann-Thienemann-Hauptschule in Steglitz: "Das paßt überhaupt nicht in das Bild, das ich von diesem Jugendlichen habe."

Der Pädagoge über den Jungen, der wegen Mordversuchs in 24 Fällen und Körperverletzung in U-Haft sitzt: "Er ist ein netter und höflicher Schüler. Ich kann es mir nur so erklären, daß er zwei Gesichter hatte." Allerdings sei Mike P. schon in der Grundschule durch Schulschwänzen und Rangeleien mit Mitschülern aufgefallen.

Im vorigen Jahr war der Junge von der Leistikow-Hauptschule in Zehlendorf an die Johann-Thienemann-Schule versetzt worden, unter anderem weil er Lehrer beleidigt und gestohlen hatte. "Die Taten waren im einzelnen nicht gravierend, aber insgesamt doch bedenklich", sagt Garcke. "Er sollte bei uns die Chance für einen Neuanfang bekommen. Unsere Schule ist eine der ruhigsten Hauptschulen in ganz Berlin, Gewalt spielt bei uns kaum eine Rolle." Der Jugendliche kam probeweise in die neunte Klasse, wurde aber wegen schlechter Leistungen in die achte Klasse zurückgesetzt. Er war bereits früher einmal sitzengeblieben.

Auch an der neuen Schule fiel der Junge wieder auf. So erhielt er unter anderem einen Tadel, weil er auf einem Schul-PC Internetseiten mit Gewaltdarstellungen angesehen hatte. Wegen des Vorfalls mußte er ein Antigewalttraining absolvieren, der Junge habe sich aber auch selbst an die Schulpsychologin gewandt. Garcke: "Immer wieder schwänzte er die Schule, auch nachdem wir den Vater informiert hatten." Das Faß zum Überlaufen brachte der Schüler, als er in der Schule ein Butterflymesser bei sich trug. "Danach wurde entschieden: Der Jugendliche muß in einer kleineren Gruppe betreut werden."

Er sollte in ein Programm für "Schuldistanzierte" an einer anderen Schule wechseln. Im nächsten Schuljahr hätte er einen berufsvorbereitenden Lehrgang sowie den Hauptschulabschluß machen können. Mike P. sei ein Scheidungskind, das aber gelte für viele, sagt Garcke: "Er kam aus geordneten Verhältnissen und lebte mit seinem Vater in einer vernünftigen, ausreichend großen Wohnung."