Winter-Drama: Bundeswehr schaufelt Dächer frei - Katastrophenalarm. Schulen und Supermärkte geschlossen, Gammelfleisch-Lager eingestürzt. Furcht vor dem Tauwetter.

München. Die Schneemassen in Bayern werden immer bedrohlicher. Gestern hat schon der fünfte Landkreis des Freistaates den Katastrophenalarm ausgerufen. Der schwere Pappschnee auf den einsturzgefährdeten Dächern hält Tausende Helfer in Atem, einige müssen wegen Erschöpfungszuständen behandelt werden. Eine 17jährige wurde schwer verletzt, als sie beim Schneeräumen auf dem Dach eines Reiterhofes einbrach und fünf Meter tief stürzte.

Die "weiße Pracht" hat das öffentliche Leben in weiten Teilen lahmgelegt. Viele Schulen, Kindergärten, Fabriken, Supermärkte und andere Gebäude blieben in Bayern wegen der Schneemassen auf den Dächern gesperrt. Insgesamt sind mehr als 3000 Helfer von Feuerwehr, Bundeswehr, dem Technischen Hilfswerk, der Bundespolizei und dem Roten Kreuz damit beschäftigt, die Dächer freizuschaufeln.

Kerstin Kopp (38) arbeitet normalerweise als Sekretärin im Büro des Wohnwagenherstellers Knaus in Jandlsbrunn mitten im Bayerischen Wald. Jetzt steht sie in dichtem Schneetreiben auf der Fertigungshalle und schaufelt Schnee vom Dach. "Da helfen wir zamm. Des is' halt bei uns so", sagt sie und schiebt die Mütze aus der Stirn. Gemeinsam mit ihr schippen 190 Feuerwehrleute und Bundeswehrsoldaten. Und auf dem Dach des Carports bedient der Vorstandsvorsitzende der AG, Thomas Dickenberger, eine Schneefräse. Seit Mitternacht ist der 44jährige im Einsatz, doch er scheint gut gelaunt. "Das ist ein Naturerlebnis hier." Seit Mittwoch steht die Produktion still. Die meisten der 700 Beschäftigten haben frei. Den Einsatz der Feuerwehr und der Soldaten muß die Firma bezahlen.

Im niederbayerischen Deggendorf stürzten zwei Lagerhallen ein, darunter das Kühlhaus der wegen des Fleischskandals bekanntgewordenen Frost GmbH. In Inzell wurde das Dach eines Wohnhauses eingedrückt. In Vilshofen mußten Helfer ein internationales Logistikzentrum abschaufeln. Bei Passau sind zwei Möbelhäuser und das Lager eines Autokonzerns gefährdet.

Aber das Schlimmste könnte Bayern noch bevorstehen. Der Sprecher des Landratsamtes Regen, Anton Weghofer: "Wir fürchten, wenn Tauwetter kommt, kommt es erst recht zum Fiasko." Auf den Häusern liegt der nasse Schnee bis zu 1,70 Meter hoch - wenn er schmilzt, könnte es zu katastrophalen Überschwemmungen kommen. In Sachsen und Sachsen-Anhalt sind die Flüsse schon über die Ufer getreten (wir berichteten).

Meteorologen erwarten in Bayern weitere Schneefälle, in den Alpen steigt die Lawinengefahr.