Bad Reichenhall: 14 Tote aus Eissporthalle geborgen - eine Frau noch vermißt. Die Opfer klagen an. Vor allem Kinder und Jugendliche starben bei der Tragödie. Wird die Schuldfrage niemals geklärt?

München. Sie waren Freundinnen - Eugenie und Violetta, beide 15 Jahre alt. Sie gingen gemeinsam zum Schlittschulaufen in die Eissporthalle von Bad Reichenhall. Eugenies Vater Vadim P. (41) hatte die Mädchen hingefahren. Erschüttert schildert sie das furchtbare Ereignis: "Wir fingen gegen 15 Uhr an zu laufen. Es machte riesigen Spaß", berichtete Eugenie der Münchner "tz". "Etwa eine halbe Stunde später hörte ich so etwas wie Böllerschüsse . . ."

Die Hauptschülerin stutzt zwar kurz, vergißt das Geräusch dann aber wieder. Ihr Vater, der Schwierigkeiten mit den ausgeliehenen Schlittschuhen hat, verläßt die Eisfläche und beobachtet die Mädchen von der Bande aus. Eugenie und die dritte Freundin Xenia (14) halten sich eher am Rand der 60 x 30 Meter großen Bahn auf. Violetta dreht sich in der Mitte, will jede Minute auf dem Eis auskosten.

Dann kracht es. Vadim P. schaut nach oben, sieht, wie die Decke rund einen halben Meter absackt. Eugenie will ihre Freundin warnen. Die beiden schauen sich an. "Ich habe irgendwie gespürt, daß es der letzte Kontakt zu Violetta ist", sagt die 15jährige. Sekunden später stürzt die abgesackte Decke ein, Violetta verschwindet unter den Trümmern. Eugenie und Xenia werfen sich aufs Eis, Teile der Dachkonstruktion schließen sie zunächst ein. "Ich dachte, jetzt muß ich sterben." Vater Vadim: "Es war wie im Horrorfilm. Ich glaubte, mein Herz bleibt stehen."

Von einer Sekunde auf die andere wurde es still - gespenstisch still. Dann plötzlich Kinderschreie. Wie in Trance sucht der Vater nach den drei Verschütteten. Nach wenigen Minuten hat er seine Tochter und Xenia gefunden - sie sind unverletzt. Vadim P. mit Tränen in den Augen: "Was für ein unglaubliches Glück."

Violetta bleibt verschwunden. Eugenie wartet stundenlang vor der Halle - vergebens.

Gestern mittag fanden die Helfer das blonde Mädchen unter den Trümmern - tot. Die Eltern nahmen, unterstützt von Psychologen, noch am Unglücksort Abschied von ihrer Tochter. Sie war das 14. Todesopfer der Katastrophe. Veronika, die kleine Schwester der Schülerin, begreift noch nicht, was passiert ist. Sie sagt: "Violetta ist in der Eishalle."

Auch der 15 Jahre alte Andreas J. kam bei der Tragödie ums Leben. Seine Eishockey-Leidenschaft wurde ihm zum Verhängnis. Er galt als großes Talent im Eishockeytor des "EAC Bad Reichenhall". Die Absage des Trainings am Unglückstag hatte ihn nicht mehr erreicht. "Er war immer einer von denen, die schon vor dem Training hart trainierten", erzählt sein Freund Thomas (18) fassungslos.

Eine Frau wird noch vermißt - Michaela S. (40). Ehemann Robert wird in der Grundschule psychologisch betreut. Doch ihn zieht es immer wieder an die Unglücksstelle zurück. Seine Frau wurde mit der Tochter unter den Trümmern verschüttet. Während Tochter Riccarda mit Schnittwunden und Prellungen gerettet im Krankenhaus liegt, suchten die Helfer auch in der Nacht weiter nach der Mutter. Am Abend schlugen die Suchhunde zwar an, doch als die Rettungskräfte die Stelle von Trümmern und Schnee befreit hatten, entdeckten sie nichts. "Die Hoffnung, sie noch lebend zu finden, schwindet mit jeder Minute", sagte Polizeisprecher Fritz Braun. "Die Zeit arbeitet gegen uns."

Unter den Toten sind vor allem Jugendliche und Kinder, die beim Schlittschuhlaufen von der Katastrophe überrascht wurden. Bisher wurden identifiziert: Marina (8), Helena (10), Florian (10), Marina (10), Simon (11), Christina (12), Ann-Katrin (12), Stefan (14), Violetta (15), Andreas (15) und Johannes (16). Zwei Kinder wurden durch das Unglück zu Vollwaisen. Vor drei Jahren starb ihr Vater, jetzt kamen die Mutter (41) und ihre siebenjährige Schwester in der Eissporthalle ums Leben.