Archäologie: Neue Zweifel an Sensationsfund aus der Bronzezeit. Schon 3600 oder nur 100 Jahre alt? Ein Spezialist der Universität Regensburg stellt die Echtheit immer mehr in Frage.

Regensburg/Hamburg. Sie wurde als einmaliger Sensationsfund aus der Bronzezeit gefeiert: die Himmelsscheibe von Nebra. Jetzt hat der Bronzezeit-Spezialist Professor Peter Schauer neue Zweifel an der Echtheit geäußert: "Eine Fälschung allerzweifelhaftester Herkunft - verziert mit Sternen wie Schrotschüsse und einem Sonnenschiff, das wie ein Pantoffeltierchen aussieht." Der Archäologe der Universität Regensburg zeigte sich bei einem Vortrag im Zoologischen Institut Hamburg überzeugt, daß die Scheibe nicht schon 3600 Jahre alt sei - und sogar bedeutende Archäologen dem "Werk neuzeitlicher Fälscher" aufgesessen seien.

Fest steht: Es ist kein Objekt aus der Bronzezeit bekannt, mit dem die Scheibe verglichen werden könnte. Außerdem gaben die Raubgräber, die die Himmelsscheibe und ihre Beifunde entdeckt haben wollen, nie den wahren Fundort preis. Auch ist nicht eindeutig erwiesen, ob die Gegenstände überhaupt gemeinsam ausgegraben worden waren.

Professor Schauer, Ordinarius für Ur- und Frühgeschichte, ist sich sicher: "Die Scheibe ist eine Fälschung und wurde innerhalb von drei Wochen aus mehr als 100 Jahre altem Metall mit Hilfe von Säure, Zangen und Fräßwerkzeugen auf alt getrimmt."

Seine Begründung: Die Patina-Kruste sei für einen Fund aus der Bronzezeit viel zu dünn. Hätte die Scheibe tatsächlich 3600 Jahre im Boden gelegen, müßte sich das Gold inzwischen gelöst haben. Die Löcher am Rand der Scheibe stammen seiner Meinung nach nicht von einem bronzezeitlichen Werkzeug, sondern von einer modernen Stanzzange. Zudem kenne er keine ähnliche Himmelsdarstellung aus der Bronzezeit, sie erinnere ihn vielmehr an Abbildungen auf Schamanentrommeln - und sei damit eindeutig das Werk von Fälschern.

Allerdings hielt Schauer die Himmelsscheibe von Nebra nie selbst in den Händen - und stützt seine Argumente allein auf Abbildungen. Wissenschaftler, denen die Scheibe und ihre Beifunde für Untersuchungen zur Verfügung standen (unter anderem Blei-Isotopen-Analysen, Bodenproben, Laseruntersuchungen), glauben dagegen an eine Echtheit "mit großer Wahrscheinlichkeit". Dr. Harald Meller, Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle: "Mit absoluter Sicherheit ist die Echtheit nicht zu beweisen, dafür ist der Fund zu einzigartig." Die Forscher können lediglich nach Beweisen für eine Fälschung suchen - bis heute wurden keine gefunden. Ihre Argumente für die Echtheit: Ein Schwert, das von den Raubgräbern angeblich neben der Scheibe gefunden wurde, ist tatsächlich 3600 Jahre alt. Zudem wollen Meller und sein Team bewiesen haben, daß die Zusammensetzung der Metalle in der Scheibe "typisch frühbronzezeitlich" ist. Außerdem sei die Malachit-Patina grobkörnig - nur feinkörnige Patina könne man künstlich herstellen. Schauer ist anderer Ansicht: Er habe sehr wohl Fälschungen mit grobkörniger Patina gesehen. Mehr noch: "Für mich sehen die Versuche vieler Forscher, den Inhalt der Scheibe zu deuten, aus wie ,Disneyland'."

Die Echtheit der Himmelsscheibe wird wohl nie zweifelsfrei bewiesen werden können. Fünf Millionen Euro hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft Meller und anderen Wissenschaftlern für ein Langzeitprojekt zur Verfügung gestellt, um des Rätsels Lösung näherzukommen.