“Lili Marleen“ oder die Frage: Wie schreibt man Ohrwürmer?

Hamburg. Ein Ohrwurm besteht zu 80 Prozent aus Melodie und zu 20 Prozent aus dem schlechten Gewissen des Zuhörers, sich dadurch überlisten und knapp unter dem persönlichen Niveau amüsieren zu lassen. So lautet zumindest einer von vielen möglichen Erklärungsversuchen.

Von Marcel Proust ist das schöne Zitat aus seinem "Lob der schlechten Musik" überliefert: "Da man sie viel leidenschaftlicher spielt und singt als die gute, hat sie sich nach und nach mehr noch als diese mit der Träumerei und den Tränen der Menschheit gefüllt." Offenbar ging schon dem französischen Feingeist künstlerisch Dubioses schwer auf den Keks.

Doch das Geheimnis einer unsterblich gewordenen Melodie jenseits von Gut und Böse ist vielleicht ganz einfach: zur richtigen Zeit entstehen, am richtigen Ort, mit den richtigen Tönen. Für Lale Andersen war's 1939 soweit, unter einer Laterne, vor einem Tor. Ihre "Lili Marleen" ist längst in die ewige Beliebtesten-Liste eingegangen; die Interpretin wurde vor 100 Jahren in Bremerhaven geboren, morgen wird ihr zu Ehren ein Bronzedenkmal auf ihrer Lieblingsinsel Langeoog enthüllt, die sie in der klassischen Lili-Pose darstellt (S. 32).

Was nun, wenn einem Langeoog-Besucher vor Ort tatsächlich nicht mehr Name und Komponist des Evergreens einfallen sollten? Für solche Notfälle haben Informatiker der Uni Bonn 2001 eine Ohrwurm-Suchmaschine entwickelt. 12 000 Stücke seien in der Datenbank gespeichert, um quälende Gedächtnislücken schnell zu schließen.

Wenn's allerdings immer so einfach wäre, einen Ohrwurm zu finden, würde an dieser Stelle jemand anderes schreiben. Der jetzige Autor würde die Tantiemen für die vielen Superhits aus seiner Feder auf einer seiner Privatinseln in der Karibik verprassen.