Kinderschänder: Jahrhundertprozess in Belgien eröffnet. Der Hauptangeklagte schlief sogar ein.

Arlon. Acht Jahre nach Aufdeckung der erschütternden Mädchenmorde in Belgien steht der Kinderschänder Marc Dutroux (47) seit gestern vor Gericht. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wurden der Hauptangeklagte und drei Mitangeklagte im südbelgischen Arlon dem Richter Stephane Goux vorgeführt. Auch Angehörige der Opfer verfolgten den lange erwarteten Auftakt des Jahrhundertprozesses. "Es war nicht einfach für die Eltern", sagte der Anwalt Joris Vercraeye, der in dem Verfahren die Interessen einer betroffenen Familie vertritt.

Dutroux ist angeklagt, Mitte der 90er-Jahre sechs Mädchen im Alter von 8 bis 19 Jahren entführt und misshandelt zu haben; vier von ihnen starben oder wurden getötet.

Die drei Berufsrichter unter der Leitung des Vorsitzenden Goux wählten zum Prozessauftakt je sechs Männer und sechs Frauen als Geschworene und ebenso viele Stellvertreter aus. Gemeinsam sollen sie in einigen Wochen das Urteil fällen.

Kalt und skrupellos, so ist Marc Dutroux in der Vergangenheit aufgetreten. Und genauso gab er sich zu Beginn seines Prozesses. "Ich heiße Marc Dutroux", antwortet er lakonisch auf die erste Frage. Nach seinem Beruf befragt, sagte der gelernte Elektriker emotionslos: "Ich habe keinen." Mit verschränkten Armen saß er scheinbar unbeteiligt hinter einer Wand aus Panzerglas, bekleidet mit hellem Hemd, grauem Pullover, grauer Jacke und Krawatte. Zeitweise ließ er sogar den Kopf auf die Brust fallen. Goux in Richtung der Anwälte: "Ich glaube, Ihr Mandant schläft." Xavier Magnee: "Herr Dutroux schläft nachts sehr schlecht. Da ist es normal, dass er sich - wenn im Saal keine taktisch wichtigen Dinge passieren - ein wenig erholt."

So kaltblütig wie sich das "Monster" (so nennen ihn die Belgier) vor Gericht gibt, so kaltblütig soll er auch bei seinen Taten vorgegangen sein. In einer Erklärung sagte der 47-Jährige, er fühle sich "instrumentalisiert". "Die Leute wollen glauben, dass ich im Mittelpunkt stehe. Sie irren sich." Offenbar wird auch seine Verteidigung die Strategie verfolgen, Dutroux nur als Handlanger einer Gruppe darzustellen. "Sollen wir das einzige Land auf der Welt sein, wo Pädophile perverse Einzeltäter sind?", fragen die Anwälte suggestiv in einem siebenseitigen Schreiben.

War Dutroux ein Einzeltäter? Oder war er "nur" Handlanger? Dies ist die Schlüsselfrage im Prozess. Zwei Drittel der Belgier glauben nach Umfragen an ein Netzwerk mit Kontakten in höchste Justiz- und Politikkreise. Aber genauso viele sind überzeugt, dass die Wahrheit fast acht Jahre nach den Taten nicht mehr gefunden werden kann.

Verschiedene Angehörige zeigten sich immerhin zufrieden, dass der Prozess nach jahrelangen Untersuchungen und Tauziehen zwischen verschiedenen Instanzen der Justiz schließlich doch noch begann. Rechtsanwalt Jan Fermon, der das befreite Dutroux-Opfer Laetitia Delhez (21) vertritt, formulierte seine Erwartungen: "Laetitia erwartet Antworten auf das Wie und das Warum." Das erwarten auch die Eltern der getöteten Kinder.