Titanic-Regisseur Cameron plant spektakuläre Aktion vor Montevideo. Warum aber wurde das deutsche Panzerschiff 1939 von seiner eigenen Besatzung versenkt?

Hamburg. Eine schwarze Boje ist alles, was noch sichtbar ist. Sie tanzt in der Mündung des Rio de la Plata und markiert das Grab eines Schiffes, über das ähnlich viele Geschichten erzählt werden, wie über die "Titanic" oder die "Bismarck". Keine 30 Meter unter der schwarzen Boje liegt die "Admiral Graf Spee". Das deutsche Panzerschiff wurde von einem Teil seiner Besatzung am 17. Dezember 1939 in der La-Plata-Mündung versenkt. Jetzt will sich der amerikanische Regisseur und Filmemacher James Cameron, der schon "Titanic" und "Bismarck" in eisiger Tiefe besuchte, daran machen, die "Spee" wieder ans Tageslicht zu fördern. Ein Schiff, das wenige Tage lang für Aufsehen in der ganzen Welt sorgte.

Es ist der 21. August 1939 und der Krieg längst beschlossene Sache, als die "Spee" aus Wilhelmshaven ausläuft. Ihr Ziel ist der Südatlantik. Am 26. September, gut drei Wochen nach Kriegsbeginn, erhält sie den Befehl, einen "energischen Stoß" gegen feindliche Handelsschiffe zu führen. Gemeint ist damit, so viele Frachter zu versenken wie möglich.

Eine Aufgabe, für die sich das Panzerschiff wie kaum ein zweiter Schiffstyp eignet. Sie ist stärker bewaffnet als jeder Kreuzer zu dieser Zeit und schneller als jedes Schlachtschiff. Zudem hat sie einen Aktionsradius von etwa 11 000 Seemeilen, also 20 000 Kilometern. "Pocket battleships" - "Westentaschen-Schlachtschiffe" - nennen die Briten diesen Typ.

Am 30. September versenkt das deutsche Kriegsschiff sein erstes Opfer: die britische "Clement". Acht weitere werden folgen. Die britische Admiralität ist alarmiert und ratlos zugleich. Denn die "Spee" taucht jedesmal wie aus dem Nichts auf und verschwindet anschließend wieder. Ein Phänomen, das weniger mit Mystik als mit der 1939 noch nicht sehr ausgeprägten Luftaufklärung zu erklären ist.

Zudem hat ihr Kommandant, Kapitän zur See Hans Langsdorff, einen Verbündeten: den Versorger "Altmark", der dem Panzerschiff auch die zahlreichen Gefangenen abnimmt. Denn der 45-jährige Langsdorff handelt nach einem strengen Kodex. Frachter werden mit einem Schuss vor den Bug gestoppt, dann wechselt die Besatzung auf die "Spee", wo sie ausgesprochen gastfreundlich aufgenommen wird. Erst danach wird das Handelsschiff versenkt. Von den neun Schiffen, die der "Spee" zum Opfer fielen, ist nicht ein Besatzungsmitglied ums Leben gekommen.

Doch der Jäger hinterlässt eine Fährte. Ein britisches Kreuzergeschwader unter Kommodore Henry Harwood fängt Funksprüche der Opfer auf. Die Briten berechnen daraus Kurs und Geschwindigkeit ihres Gegners. Offenbar läuft die "Spee" die Küste von Uruguay an. Harwood legt sich mit den Kreuzern "Exeter", "Ajax" und "Achilles" vor der Mündung des Rio de la Plata auf die Lauer, wo er den Räuber, dessen Identität der britischen Admiralität noch nicht ganz klar ist, erwartet.

Tatsächlich taucht die "Graf Spee" am Mittwoch, den 13. Dezember, kurz nach Sonnenaufgang geistergleich aus dem Dunst auf. Langsdorff und seine Offiziere halten die britischen Schiffe zunächst für Zerstörer und verringern die Distanz. Um 6.14 Uhr eröffnet die "Spee" die erste Seeschlacht des Zweiten Weltkrieges. Die "Exeter" wird mehrfach schwer getroffen und zieht sich nach den Falklandinseln zurück.

"Ajax" und "Achilles" beschießen ihrerseits die "Graf Spee" mit Artillerie und Torpedos. Das Panzerschiff muss etwa 20 schwere Treffer einstecken. 36 Mann werden getötet und mehr als 50 schwer verwundet. Deshalb, und weil die Beschädigungen nicht auf See zu reparieren sind, entschließt sich Langsdorff am Abend, den Hafen von Montevideo im neutralen Uruguay anzulaufen.

Noch in der Nacht beginnt er, mit den Behörden zu verhandeln. Uruguays Regierung weiß, dass sie wirtschaftlich von Großbritannien abhängig ist. Langsdorff wird hingehalten. Sein Gegenspieler, der britische Botschafter Eugene Millington-Drake, kann die Regierung Uruguays davon überzeugen, den Deutschen nur eine Liegezeit von 72 Stunden zu gewähren. Zu wenig für Reparaturen. Durch geschicktes Streuen von Gerüchten sorgt Millington-Drake zudem dafür, dass Langsdorff glaubt, ihn erwarte beim Auslaufen ein verstärktes britisches Geschwader. Ein Trugschluss.

Am Donnerstag, den 14. Dezember, werden die Toten der "Spee" in Montevideo beigesetzt. Langsdorff verhandelt weiter, ohne Erfolg. Im Hafen versammeln sich Tausende von Schaulustigen, eine US-Radiostation überträgt live in alle Welt.

Am Sonntag, den 17. Dezember, läuft das Ultimatum ab. Um 17.30 Uhr geht das Panzerschiff "Anker auf". Nur Hans Langsdorff und 40 Mann sind an Bord. Die übrige Besatzung ist auf den Frachter "Tacoma" gewechselt. Langsam nimmt die graue Silhouette flussabwärts Fahrt auf. Knapp außerhalb der Dreimeilenzone wirft die "Graf Spee" wieder Anker. Die Restcrew steigt auf einen Tender über. Tausende Menschen sehen von der Mole aus zu. Um 19.55 Uhr, kurz nach Sonnenuntergang, zerreißen Explosionen die Luft. Vor den Augen der Menschenmenge versinkt das Schiff, vom Radio live übertragen.

Langsdorff hat sechs Torpedoköpfe über den Munitionskammern zünden lassen, in denen noch 306 schwere 28-Zentimeter-Granaten lagern. Seine Besatzung führt er anschließend über den La Plata nach Buenos Aires, wo die deutschen Marinesoldaten aufgenommen und interniert werden. Der Kommandant überlebt sein Schiff nur um wenige Stunden. Nachdem er eine letzte Ansprache an seine Besatzung gehalten hat, legt er sich in seiner Kammer im Internierungsgebäude auf die Fahne seines Schiffs und erschießt sich.

Die "Graf Spee" ragt noch lange aus dem flachen Wasser der Plata-Mündung. Nur langsam versinkt sie im weichen Schlick. Noch ein Jahr nach der Selbstversenkung ist ihr Gefechtsmars (der vordere Turm) über der Oberfläche zu sehen. 1943 schweißen lokale Bergungsfirmen die Aufbauten weitgehend ab und überlassen das Schiff endgültig seinem Schicksal. Von dem heute nur noch eine schwarze Boje zeugt.