Die letzte Nacht endete für die mittelitalienische Stadt L'Aquila in einer Katastrophe: Ein Beben der Stärke 6,2 erschütterte die Region in den Abruzzen, mehr als 150 Menschen starben, über 15 000 Häuser wurden beschädigt. Rettungsdienste sind derzeit im Dauereinsatz und graben mit den bloßen Händen, noch immer werden zahlreiche Personen vermisst. Bilder zum Beben in Italien.

L'Aquila. Mittelitalien befindet sich derzeit in einem Ausnahmezustand, Regierungschef Silvio Berlusconi hat bereits den Notstand ausgerufen und seine Reise nach Russland abgesagt. Ein schweres Erdbeben der Stärke 6,2 hatte in der Nacht zu heute gegen 3.30 die Region in den Abruzzen erschüttert, das Epizentrum lag etwa fünf Kilometer unter der Stadt L'Aquila, die sich rund 90 Kilometer nordöstlich von Rom befindet.

Durch die Erschütterungen wurden mehr als 15 000 Häuser beschädigt oder zerstört, mindestens 150 Menschen wurden dabei unter den Trümmern begraben. Nach Angaben der Rettungsdienst wurden nach dem Beben über 100 000 Menschen obdachlos. Diese befinden sich derzeit größtenteils auf der Flucht. Lediglich mit einem Koffer in der Hand versuchen sie derzeit zu tausenden, die Stadt zu verlassen.

Das Beben war in ganz Mittelitalien zu spüren, von der Adriaküste bis zum Thyrenischen Meer. Sogar in Rom waren die Bewohner mitten in der Nacht von der Erschütterung aufgewacht.

Derzeit suchen Helfer mit Spürhunden nach Überlebenden. Nach Angaben von Innenminister Roberto Maroni wurden zur Verstärkung rund 1500 Feuerwehrleute und 200 Polizisten ins Erdbebengebiet geschickt. Angehörige suchen ebenfalls verzeifelt nach ihren Familienmitgliedern. Sie graben zum Teil mit bloßen Händen in den Schuttmassen, keiner will die Hoffnung aufgeben.

Das Krankenhaus von L'Aquila ist maßlos überfüllt, Ärzte versorgen Verletzte derzeit unter freiem Himmel. Nur ein einziger Operationssaal stand dort zur Verfügung. Die Universitätsklinik der Stadt musste wegen Einsturzgefahr gesperrt werden. Die am schwersten Verletzten wurden per Hubschrauber in benachbarte Krankenhäuser transportiert.

Das Erdbeben sei wie "die Apokalypse" gewesen, berichtete die Überlebende Maria Francesco aus L'Aquila. Ihr Haus sei vollständig eingestürzt, nichts sei mehr übrig. Schon seit drei Monaten habe es immer wieder Erdstöße in der Region gegeben. Besonders betroffen war das historische Stadtzentrum von L'Aquila mit seinen engen Gassen und Renaissance-Gebäuden. Der Dom der Kathedrale stürzte ein, ein Studentenwohnheim wurde teilweise zerstört.

Die Welt zeigt sich äußerst betroffen. Von allen Staaten der Erde gingen bei der italienischen Regierung Hilfsangebote ein. Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso äußerte sein Beileid. Die Kommission sei in ständigem Kontakt mit den italienischen Behörden, um Hilfe anzubieten, Italien habe diese aber bislang nicht verlangt, sagte eine Kommissionssprecherin. Denkbar sei, dass die EU Italien mit Notunterkünften durch das Beben obdachlos gewordene Menschen unterstütze. Papst Benedikt XVI. bete für die Opfer des Erdbebens und besonders für die Kinder, teilte der Vatikan mit.

Italien ist besonders stark erdbebengefährdet, da das Land am Zusammenstoß zweier tektonischer Platten liegt. Im Oktober 2002 kamen bei einem Erdbeben in dem mittelalterlichen Dorf San Giuliano di Puglia 30 Menschen durch eine Erschütterung ums Leben, darunter 27 Schüler und deren Lehrer, die unter den Trümmern ihrer Schule begraben wurden. Am 23. November 1980 ereignete sich in der Nähe von Neapel ein verheerendes Erdbeben, bei dem 2570 Menschen ums Leben kamen, 8850 verletzt und 30.000 obdachlos wurden.

In den Abruzzen ist noch die Erinnerung an ein Erdbeben vom 13. Januar 1915 wach, bei dem schätzungsweise 30.000 Menschen ums Leben kamen. Noch schlimmer war das Erdbeben vom 28. Dezember 1908, bei dem an der Straße von Messina rund 95.000 Menschen ums Leben kamen.